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Blut und Rüben

Blut und Rüben

Titel: Blut und Rüben
Autoren: Uwe Voehl
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abbog, waren nur wenige Fahrzeuge unterwegs. Ein holländisches Wohnmobil tuckerte mit sturen 30 km/h vor mir her und bremste meinen Eifer, schneller ans Ziel zu kommen. Während ich an der Musikhochschule und am Freilichtmuseum vorbeifuhr und schließlich Heiligenkirchen erreichte, fragte ich mich nicht das erste Mal an diesem Morgen, ob ich nicht einer falschen Fährte folgte. Und alles nur wegen Steffi Klug!
    Das Wohnmobil, dessen Kennzeichen so gelb war wie holländischer Käse, bog nach links Richtung der Externsteine ab. Ich hatte freie Bahn. Hinter Holzhausen folgte eine überaus beschauliche Gegend. Die Wälder stiegen zu beiden Seiten steil bergauf. Ich konnte mir gut vorstellen, dass hier vor zweitausend Jahren Varus’ drei römische Legionen von den Germanen unter Führung von Arminius massakriert worden waren – und wenn nicht hier, dann in anderen Regionen des Teutoburger Waldes, aber auf keinen Fall in Kalklage bei Osnabrück.
    Rechter Hand tauchte der Falkenkrug auf. Links führte ein kleiner Waldweg zur Burg hinauf. Der Begriff Burg war übertrieben. Es handelte sich um eine Ruine. Nur noch wenige Mauerreste zeugten von der als Wiege des Fürstentums Lippe bezeichneten Burg.
    Ich stieg aus dem Wagen und ließ Luna heraus. Vorsichtshalber nahm ich sie an die Leine. Ich überquerte die Hauptstraße und wunderte mich, dass der Weg zur Burg hinauf nicht gesperrt worden war. Jedenfalls entdeckte ich nicht einen Polizisten. Entweder hatte Neumann mir einen Bären aufgebunden, oder die Kripo war längst schon wieder abgezogen.
    Das Schild, das zur Ruine wies, hatte jemand mit einem kleinen Papieraufkleber verunziert. Schon auf den ersten Blick war die rechtspopulistische Handschrift zu erkennen. Der Aufkleber zeigte das Hermannsdenkmal in holzschnittartiger Vereinfachung und mit güldenem Strahlenkranz. Darüber stand in Fraktur Radio Hermann. Unten am Rand war noch eine Internetadresse angegeben.
    Der Weg schien jedenfalls reichlich befahren worden zu sein. Die vielen Reifenspuren waren frisch; dabei war die Durchfahrt hier verboten. Es ging steil bergauf, und nach einer letzten scharfen Kurve hörte ich Hundegebell. Luna ließ sich nicht dazu herab, es zu erwidern.
    Bereits im nächsten Moment erkannte ich, dass ich mich geirrt hatte. Die Polizei war noch nicht abgezogen. Im Gegenteil, es sah so aus, als hätten sie sich hier oben für längere Zeit eingerichtet. Ein gelb-schwarzes Absperrband, quer über den Weg gespannt, verbot mir das Weitergehen. Dahinter erkannte ich mindestens zwei Polizeiwagen, zwei weitere in Zivil sowie einen Bestattungswagen. Grelle Scheinwerfer tauchten das Gelände in ein unwirkliches Krankenhauslicht. Mehrere Polizisten suchten den Boden ab. Die meisten schienen sich innerhalb der Burgmauern aufzuhalten. Ein Hundeführer kam auf uns zu. Hager, hochgewachsen, jung und dynamisch. Mit typischem Schnauzbart. Der Schäferhund wedelte freudig mit dem Schwanz, als er Luna erblickte. Dafür bekam er prompt eine Ermahnung seines Herrn und Meisters.
    »Na, na, Hasso, wir wollen doch nicht etwa ausgemustert werden!«
    »Lassen Sie Ihrem Kollegen doch das Vergnügen. Luna steht kurz vor der Läufigkeit, sie könnte etwas für Ihren Nachwuchs tun. Ich habe gehört, dass Sie händeringend Personal suchen.«
    »An subversiven Kräften haben wir keinen Bedarf«, blaffte der Schnauzbart zurück.
    Sein vierbeiniger Begleiter sah dies ganz anders. Er schnüffelte an Luna wie an einer Blutwurst. Sein Herrchen hatte alle Hände voll zu tun, ihn zurückzuhalten.
    Ich nutzte die Gelegenheit, um mit meinem Handy ein paar Fotos zu machen.
    »He, das dürfen Sie nicht!«, wies Herr Oberamtmann mich an. »Sofort her mit dem Ding. Das wird konfisziert.«
    »Das dürfen Sie gar nicht«, erklärte ich ihm seine Befugnisse. »Ich bewege mich außerhalb Ihrer Absperrung.«
    »Wenn Sie nicht endlich verschwinden, landen Sie hinter einer ganz anderen Absperrung«, drohte der Amtsträger. »Und jetzt geben Sie endlich Ihren Fotoapparat her.«
    »Würde ich sehr gern, aber ich habe gar keinen dabei. Wenn Sie allerdings mein Handy meinen, so weise ich Sie noch einmal darauf hin, dass Sie nicht befugt sind, es zu konfiszieren. Übrigens weder innerhalb noch außerhalb des von Ihnen abgesperrten Geländes.«
    Er beäugte mich mit misstrauisch zusammengekniffenen Augen. »Sind Sie etwa Rechtsanwalt?«
    Wahrscheinlich hätte sich dieses unfruchtbare Gespräch noch ewig hingezogen. Als fruchtbar hätte es sich
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