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Blut und Rüben

Blut und Rüben

Titel: Blut und Rüben
Autoren: Uwe Voehl
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Manchester-Stoff, uralt, und gerade mal an den Ellenbogen etwas abgeschabt.
    »Was ist denn mit mir, Duffy? Ich laufe doch immer so herum.«
    »Eben«, entgegnete er stur.
    »Hat jemand Geburtstag?«
    »Es wäre nicht der erste, den Sie vergessen würden«, antwortete er. »Sie haben wirklich vergessen, was heute für ein Tag ist?«
    »Ich gestehe, ich bin heute Morgen mit dem falschen Fuß aufgestanden«, gab ich mich kleinlaut, während ich mich zu erinnern versuchte.
    »Der junge Herr kommt doch heute!«, half mir Duffy schließlich auf die Sprünge.
    »Der junge Bob Dylan!« Jetzt war der Groschen gefallen. The Times, they are a changin’.
    Dennoch trug mir meine Antwort einen strafenden Blick von Duffy ein. »Oliver Dylan Dickens«, korrigierte er mit bitterernster Miene. »Und auch Sie werden sich an diesen Namen gewöhnen müssen. Wenn Sie denn lange genug Zeit dazu haben.«
    »Duffy, Sie sind äußerst boshaft heute Morgen«, stellte ich fest. »Warum sollte er mich gleich an die Luft setzen? Immerhin zahle ich ordentlich Miete.«
    »Mit der Sie seit drei Monaten im Rückstand sind«, erinnerte mich Duffy.
    »Ja, aber nur aufgrund der unklaren Besitzverhältnisse.«
    »Genau genommen, seit der alte Herr nicht mehr unter uns weilt.« Duffy war nicht nur der Butler, sondern auch für die Buchführung zuständig.
    »Ja, ja, ich weiß, Gott sei seiner Seele gnädig. Besonders der Kriegsgott.«
    Ich hatte keine Lust mehr auf das Geplänkel und schob mich an ihm vorbei. Luna folgte mir.
    »Ihre Hündin haart schon wieder!«, sagte Duffy vorwurfsvoll. Er kaute angestrengt auf seinem Spearmint. Ein Zeichen dafür, dass er sichtlich erregt war. Normalerweise versuchte er den Kauzwang in Gegenwart anderer zu unterdrücken. Ich war froh, dass ich nicht auch noch der »Gräfin« begegnete. Sie bewohnte das Untergeschoss und hätte mir wahrscheinlich noch mehr die Hölle heiß gemacht als Duffy. Ansonsten war sie eine liebenswerte alte Dame. Sie behauptete von sich, sie sei Anfang sechzig, und niemand wagte, ihr zu widersprechen. Wer sie nicht kannte, mochte dem Irrtum verfallen, dass sie nicht mehr alle Tassen im Schrank zusammenzählen konnte. Dafür konnte sie einem in anderen Momenten mit ihren Argumenten messerscharf den Wind aus den Segeln nehmen.
    Ich hörte sie lautstark telefonieren, eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen. »Ja, stell dir vor: Er trifft heute ein. Ist das nicht wundervoll, Henriette? Nein, seit zwanzig Jahren habe ich ihm nicht mehr über den blonden Haarschopf gestreichelt ...«
    Ich drückte mich leise am Wohnzimmer, in dem sie telefonierte, vorbei und bedeutete auch Luna, bloß die Schnauze zu halten. Vorwurfsvoll sah sie zu mir hoch. Normalerweise war sie es gewohnt, schwanzwedelnd zur Gräfin zu laufen und ihr morgendliches Leckerli abzuholen.
    Nicht heute!
    Ich bugsierte sie zur Tür, die ich geräuschlos hinter uns schloss. Diese Klippe war geschafft. Draußen war es kalt und klamm. Ich fragte mich, warum die Störche überhaupt wiedergekommen waren. Vor ein paar Monaten hatte es geheißen, sie seien schnabelrümpfend über unser lippisches Mistwetter wieder gen Süden geflogen. Steffi Klug wusste wahrscheinlich mehr über dieses Thema zu plaudern.
    Gleich loszufahren erlaubte Luna nicht. Sie bestand auf ihrem morgendlichen Spaziergang. Ich seufzte, ergab mich aber den Pflichten eines Hundehalters. Schließlich würde so ein Kopf nicht so schnell wieder verschwinden.
    Lunas Morgenspaziergang fiel diesmal etwas kürzer aus. »Schließlich müssen wir ja irgendwann auch mal dein Futter verdienen, nicht wahr?«, versuchte ich ihren traurigen Hundeblick zu entkräften. »Und immerhin geht’s gleich weiter durch Feld und Flur.«
    Sie nahm auf dem Beifahrersitz Platz. Stoisch und unverrückbar.
    Ich stieg in den Volvo und startete den Motor, der wie immer zuverlässig ansprang. Dabei war ich seit mindestens zwei Wochen nicht mehr unterwegs gewesen.
    Es war noch immer früh am Morgen, zumindest in meinen Augen. Aber es war immerhin so spät, dass der meiste Berufsverkehr bereits vorüber war. Dennoch waren viele Wagen unterwegs. Einige sogar mit Anhänger.
    Im Geiste schlug ich mir an die Stirn. Von wegen Berufsverkehr. Es war Samstag, und so langsam bevölkerte sich der Teutoburger Wald mit den Wochenend-Touristen. Vor allen Dingen Wandern war wieder angesagt – bei Jung und Alt.
    Die B 236 nach Detmold war einigermaßen leer. Auch als ich in der Detmolder Innenstadt Richtung Freilichtmuseum
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