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Blut und Rüben

Blut und Rüben

Titel: Blut und Rüben
Autoren: Uwe Voehl
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was du behauptest, nämlich dass die Nachricht schon im Radio lief, dann stammt zumindest der Hinweis auf Ludwig L. definitiv nicht von uns.«
    Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich war sprachlos. Eigentlich hätte ich jetzt erst einmal einen Sitzplatz gebraucht. Oder einen Wacholder. Oder wenigstens ein paar Sekündchen, um die Neuigkeit zu verdauen. Ich hatte keines von den dreien. Denn Norbert fuhr fort:
    »Glaub bloß nicht, dass du dich jetzt aus dem Staub machen kannst. Ich zeige dir den verdammten Kopf!«
    Sein Humor war ihm endgültig abhandengekommen. Ich erkannte, dass es von Anfang an sowieso nur Galgenhumor gewesen war. Norbert war nervös, aber diese Nervosität hatte er die ganze Zeit geschickt verbergen können. Jetzt ließ sie sich nicht mehr unter der Decke halten. Irgendetwas beschäftigte ihn.
    Er hielt das Absperrband so hoch, dass wir beide gebückt darunter durchgehen konnten. Ich hatte es geschafft. Ich hatte den Tatort betreten. Aber ich fühlte dabei alles andere als Genugtuung. Im Gegenteil.
    Das Gefühl, dass hier irgendetwas aus dem Ruder gelaufen war, wurde mit jedem Schritt stärker. Das war nicht mein erster Tatort, den ich besichtigte. Aber noch nie hatte ich erlebt, dass die Leute derart nervös wirkten.
    Während Norbert vorausging, teilte er mir all das mit, was ich eigentlich nicht wissen durfte:
    »Die Kollegen in Detmold bekamen einen anonymen Anruf. Heute Nacht um drei Uhr. Muss ein Spaßvogel gewesen sein, denn er sprach zunächst in einer Art Rätsel: Ohne Rübe verliert man am ehesten sein Gesicht. «
    »Da ist was Wahres dran«, sagte ich.
    »Als die Kollegen ihn aufforderten, das Trinken alkoholischer Flüssigkeiten einzustellen, wurde er konkreter. Die Rübe sei ab. Endlich! Und derjenige, dem sie abhandengekommen sei, liege irgendwo im Teutoburger Wald vergraben. Ob denn nicht eher die Rübe vergraben gehörte, fragte der zuständige Beamte zurück. Daraufhin wurde ihm geantwortet, der Enthauptete habe zeitlebens seine Rübe sehr hoch getragen, daher hänge sie jetzt auch sehr hoch, sozusagen am höchsten Punkt Lippes.«
    »Moment, das passt nicht«, unterbrach ich ihn. »Zumindest nicht zu dem Ludwig, den ich kenne. Der ist nicht hochnäsig. Ein bisschen schräg vielleicht, ja, aber nie arrogant. Der hat sich mit allen verstanden.«
    »Das erzählen sie mir hinterher alle über das jeweilige Opfer«, stöhnte Norbert. »Wenn man das alles glauben würde, wäre die Welt eine Art Paradies, dann würden all die Ermordeten noch leben. Jedenfalls sind die Kollegen doch irgendwann zu dem Schluss gekommen, dass der Scherzbold vielleicht gar keiner war. Sie haben einen Streifenwagen hierher geschickt.«
    »Und?«, fragte ich.
    »Die beiden – ein Polizist, eine Polizistin – haben den Kopf schnell gefunden. Der Polizist, Schneider, wurde inzwischen ins Krankenhaus gebracht. Die Polizistin, Frau Mertens, hat das hier oben anfänglich alles allein abgewickelt. Sie hat zunächst den Fundort abgeriegelt, danach Verstärkung angefordert, weil sie zu Recht eine unnatürliche Todesursache durch Fremdeinwirkung festgestellt hat, und sich zu guter Letzt um ihren Kollegen gekümmert hat. Leider haben sie erst ganz am Schluss daran gedacht, uns zu rufen. Inzwischen dürften sie hier einige Spuren verwischt haben. Seit einer Dreiviertelstunde sind wir dabei, den Tathergang zu rekonstruieren und zu retten, was noch zu retten ist. Leider hat es ja in den vergangenen Tagen auch immer wieder geregnet.«
    »Welche Bedeutung kommt denn dieser Wolfsangel zu?«, fragte ich. Nur um irgendetwas zu sagen. Die Nervosität steckte auch mich an. Je mehr wir uns den Ruinen näherten, desto größer wurde der Kloß in meinem Hals. »Ist das nicht auch irgend so ein rechtes Symbol?« Ich musste an den Aufkleber denken, der unten an der Schranke geklebt hatte.
    »Die Wolfsangel wird von Neonazis gern als Erkennungszeichen missbraucht.«
    Norbert blieb stehen. Entweder, weil er mir wirklich noch eine Chance geben wollte oder weil er verschnaufen musste. »Noch kannst du es dir anders überlegen.«
    Ich wusste, dass Norbert es gnädig mit mir meinte, aber ich schüttelte den Kopf. Ich musste die Sache jetzt durchziehen. Sonst bekam ich wahrscheinlich wirklich Albträume. Wenn auch nicht aus dem Grund, den Norbert zuvor erwähnt hatte.
    »Vorsichtig, nicht stolpern«, warnte mich Norbert. »Hier sind überall Gräben und Löcher. Du weißt ja, hier fanden überall Ausgrabungen statt.«
    Die meisten waren nur
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