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Blut und Kupfer

Blut und Kupfer

Titel: Blut und Kupfer
Autoren: C Wilken
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würde fluchen und toben und sie zum Teufel wünschen …
    Heute Morgen noch war der Himmel bedeckt gewesen, doch als hätten die Elemente gewusst, dass eine Braut den Weg zur Kirche beschritt, rissen die Wolken auf, und Marie und die wartenden Menschen, die sich bei jedem festlichen Anlass in der Hoffnung auf Almosen versammelten, hießen die warmen Strahlen willkommen. Die Hitze der vergangenen Tage war nach einem nächtlichen Gewitter mit sintflutartigen Regengüssen erträglich geworden. In ihrem pfirsichfarbenen Kleid und dem zarten Schleier aus Brüsseler Spitze strahlte Marie die Unschuld einer jungfräulichen Braut aus, und Tulechow, der neben ihr auf die Jesuitenkirche zuschritt, betrachtete sie mit wohlwollendem Besitzerstolz.
    Unter ihrem Schleier suchte Marie in der Menge nach Ruben und fand ihn endlich. Er stand, wie verabredet, neben einer Eiche an der Stadtmauer und beobachtete den Hochzeitszug mit steinerner Miene. Seit Remigius’ Beerdigung war eine Woche vergangen, in der sie ihn nicht gesehen hatte. Doch sie hatte mit Bertuccio gesprochen und wusste, dass sie sich auf den gewitzten Komödianten und Kunsthändler verlassen konnte. Auch Wilhelm Fistulator war sie in der Residenz begegnet. Er war nicht betrübt über die zerstörten Kunstwerke, denn er berichtete, dass er die Tafel notdürftig repariert hatte, aber keineswegs überwältigt gewesen war von der Scagliola-Technik, und Wilhelm schwor weiterhin, dass die Mischung der Familie Fistulator unübertroffen war.
    Sie würden die Kirche durch einen Seiteneingang betreten, dem sie sich nun näherten. Marie sah über die Köpfe der Zuschauer hinweg zu Ruben und lächelte, dann strauchelte sie, und ein Aufschrei ging durch die Schaulustigen. Tulechow beeilte sich, ihr aufzuhelfen.
    »Was ist mit Euch?«, flüsterte er. »Wollt Ihr eine Szene machen?«
    Sie hielt sich die Stirn und stützte sich schwer auf ihn, mit der freien Hand griff sie in ihren Gürtelbeutel und nahm den Karfunkel heraus. Der blutrote Stein funkelte und schien jeden Sonnenstrahl in sich aufzusaugen und mit jeder Sekunde, die er dem Licht ausgesetzt war, an Leuchtkraft zu gewinnen. »Seht Ihr das?«
    Sie standen so, dass nur Tulechow den Stein in ihrer Hand sehen konnte. Der neu ernannte Markgraf sah in seinem Brokatwams und mit dem vergoldeten Degengeschirr hochherrschaftlich aus. Wie elektrisiert starrte er auf den Edelstein. »Ich dachte, Larding hat den Stein zerstört?«
    Durch ihren Schleier sah sie die Gier in seinen Augen blitzen. »Das war eine Fälschung. Ich versichere Euch bei meinem Leben, dass dies der echte Stein aus der Tafel meines seligen Oheims ist. Nehmt ihn und lasst mich gehen!«, flüsterte sie ihm ins Ohr und trat einen Schritt von ihm zurück.
    Wütend und verstört, weil er sich überrumpelt wusste, erwiderte Tulechow: »Ich kann beides haben.«
    »Nein, Severin, das könnt Ihr nicht!« Sie hielt den Stein hoch in die Sonne, wo er wie ein Feuerball erstrahlte und die Blicke der Leute magisch auf sich zog.
    »Seht nur, ein Zauberstein!«, rief jemand.
    »Ein Königsstein!«, kreischte ein anderer, und ein Raunen und Tuscheln ging durch die Menge, die sich plötzlich immer dichter um sie drängte und nicht länger auf den gebotenen Abstand achtete.
    »Nein!«, schrie Severin von Tulechow, als Marie eine schwungvolle Bewegung machte und den Stein hoch in die Luft warf, wo er vor der Sonne zu tanzen schien und ein wahres Feuerwerk an Strahlkraft vollführte.
    Den Moment des ausbrechenden Chaos nutzend, drängte sich Marie an der Kirchenmauer vorbei auf den ungläubig wartenden Ruben zu, der sie mit Tränen in den Augen empfing. »Wie …?«
    Sie verschloss ihm den Mund mit einem raschen Kuss, nahm seine Hand und zog ihn mit sich die Mauer entlang. »Keine Zeit. Komm! Bertuccio wartet auf uns.«
    Gemeinsam verschwanden sie in den engen Gassen und hörten Tulechow brüllen: »Wer den Stein anfasst, ist des Todes!«

Castiglioncello, September 1619

    D as Tyrrhenische Meer breitete sich gleich einem seidenen Teppich in türkis- und smaragdfarbenen Wellen unter ihr aus. Hinter ihr erhoben sich die schroffen Hügel der Colli Livornesi. Der Duft von Pinien mischte sich mit der salzigen Meeresluft und dem strengen Geruch von Fischen, die in der Sonne trockneten. Marie winkte den Fischern zu, die sie inzwischen kannten und von denen sie die Köstlichkeiten des Meeres bezog, die Tomasina zu schmackhaften Leckerbissen verarbeitete.
    Der Wind hatte zugenommen, und
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