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Blut - Skeleton Crew

Blut - Skeleton Crew

Titel: Blut - Skeleton Crew
Autoren: Stephen King
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gute Frage. »Ja, aber mach dir keine Sorgen. Elektrizität braucht den Boden, nicht dich, Billy. Dir kann nichts passieren, solange du von den Leitungen wegbleibst.«
    »Braucht den Boden«, murmelte er, und dann kam er zu mir, und wir gingen Hand in Hand die Auffahrt entlang.
    Es war schlimmer, als ich mir vorgestellt hatte. An vier verschiedenen Stellen versperrten umgestürzte Bäume die Auffahrt – ein kleiner, zwei mittelgroße und ein alter Riese von gut und gern ein Meter fünfzig Durchmesser, der mit Moos bedeckt war, so als trüge er ein schimmeliges Korsett.
    Äste, manche ihrer Blätter halb beraubt, lagen überall in großer Zahl herum. Während Billy und ich in Richtung Feldweg schlenderten, warfen wir die kleineren Äste rechts und links ins Gehölz. Das erinnerte mich an einen Sommertag vor nunmehr etwa fünfundzwanzig Jahren; ich konnte damals nicht viel älter gewesen sein als Billy heute. Alle meine Onkel waren hergekommen, und sie hatten den ganzen Tag mit Äxten und Beilen und Stangen in den Wäldern verbracht und das Unterholz gelichtet. Am Spätnachmittag hatten sich alle um den riesigen Picknicktisch meiner Eltern versammelt, und es hatte große Mengen Hotdogs, Hamburger und Kartoffelsalat gegeben. Das ’Gansett-Bier war in Strömen geflossen, und mein Onkel Reuben hatte einen Kopfsprung in den See gemacht, mit seinen Kleidern, sogar mit den Sonntagsschuhen. Damals hatte es in diesen Wäldern noch Rotwild gegeben.
    »Daddy, kann ich zum See runtergehen?«
    Er hatte keine Lust mehr, Äste beiseitezuräumen, und wenn ein kleiner Junge etwas satt hat, ist es das Beste, ihn etwas anderes tun zu lassen. »Na klar.«
    Wir kehrten zusammen zum Haus zurück, und dann bog Billy nach rechts ab, wobei er einen weiten Bogen um die Stromleitungen machte. Ich ging nach links, in die Garage, um meine McCullough zu holen. Ich hatte richtig vermutet – seeauf- und seeabwärts hörte ich schon das unangenehme Kreischen der Sägen.
    Ich füllte den Tank, zog mein Hemd aus und wollte mich gerade wieder zur Auffahrt begeben, als Steff aus dem Haus trat. Sie betrachtete nervös die umgestürzten Bäume, die unsere Auffahrt blockierten.
    »Wie schlimm ist es?«
    »Ich kann sie zersägen. Wie schlimm ist es im Haus?«
    »Na ja, ich hab die Glasscherben weggeräumt, aber du wirst irgendwas mit dem Baum machen müssen, David. Wir können keinen Baum im Wohnzimmer gebrauchen.«
    »Nein«, stimmte ich zu. »Wohl nicht.«
    Wir betrachteten einander in der Morgensonne und mussten lachen. Ich legte die McCullough beiseite, küsste sie und drückte ihre Pobacken.
    »Nicht«, murmelte sie. »Billy ist …«
    Da kam er um die Ecke gesaust. »Dad! Daddy! Du müsstest sehen …«
    Steffy sah die Stromleitungen und schrie, er solle aufpassen. Billy, der ein gutes Stück davon entfernt gewesen war, blieb stehen und starrte seine Mutter an, als wäre sie verrückt geworden.
    »Alles klar, Mama«, sagte er in dem milden Ton, den man gegenüber sehr alten und senilen Personen anzuwenden pflegt. Er ging auf uns zu und demonstrierte uns, dass er überhaupt keine Angst hatte. Steff begann in meinen Armen zu zittern.
    »Schon gut«, flüsterte ich ihr ins Ohr. »Er weiß Bescheid.«
    »Ja, aber Leute werden getötet«, sagte sie. »Im Fernsehen wird die ganze Zeit vor Leitungen gewarnt, die unter Strom stehen. Billy, ich möchte, dass du sofort ins Haus gehst!«
    »Ach, Mama, bitte nicht! Ich möchte Dad das Bootshaus zeigen!« Er war fast glupschäugig vor Aufregung und Enttäuschung. Die apokalyptischen Sturmfolgen waren ganz nach seinem Geschmack, und er wollte sie mit anderen teilen.
    »Du gehst sofort ins Haus! Diese Leitungen sind gefährlich und …«
    »Daddy sagt, dass sie den Boden wollen, nicht mich …«
    »Billy, widersprich mir nicht!«
    »Ich komm es mir ansehen, Kumpel. Geh schon vor.« Ich spürte, wie Steff erstarrte. »Aber geh ums Haus rum.«
    »Klar! Okay!«
    Er stürzte an uns vorbei und rannte zwei Stufen auf einmal die Steintreppe hoch, die zur Westseite des Hauses führt. Er verschwand mit flatterndem Hemd und stieß ein lautes »O Mann!« aus, als er irgendwo weitere Verwüstungen entdeckte.
    »Er weiß über die Leitungen Bescheid, Steffy.« Ich umfasste zärtlich ihre Schultern. »Er hat Angst vor ihnen. Das ist gut. Dadurch ist er in Sicherheit vor ihnen.«
    Eine Träne lief ihr über die Wange. »David, ich habe Angst!«
    »Nun komm schon! Es ist vorbei!«
    »Wirklich? Der letzte Winter … und der
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