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Blut - Skeleton Crew

Blut - Skeleton Crew

Titel: Blut - Skeleton Crew
Autoren: Stephen King
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Ich strich ihm übers Haar und gab ihm noch eine Pepsi. Zusätzliche Arbeit für den Zahnarzt.
    Die Gewitterwolken kamen jetzt näher und verdrängten den blauen Himmel. Kein Zweifel, dass sich ein Sturm ankündigte. Norton hatte sein Radio abgestellt. Billy saß zwischen seiner Mutter und mir und beobachtete fasziniert den Himmel. Donner grollte, rollte langsam über den See und hallte wieder zurück. Die Wolken griffen ineinander, verflochten sich, strebten wieder auseinander, schwarz, purpur, dann geädert, dann wieder schwarz. Allmählich überquerten sie den See, und ich sah, dass sie ein feines Regennetz unter sich ausbreiteten. Es war noch ein ganzes Stück entfernt. Der Regen fiel vermutlich auf Bolster’s Mills oder vielleicht auch erst auf Norway.
    Die Luft geriet in Bewegung, zuerst nur stoßweise, sodass die Flagge sich abwechselnd blähte und dann wieder schlaff herabhing. Sie frischte auf, trocknete den Schweiß auf unseren Körpern und schien ihn anschließend zu gefrieren.
    Da sah ich den Silberschleier über den See wirbeln. Er verhüllte Harrison in Sekundenschnelle und kam direkt auf uns zu. Alle Motorboote waren von der Bildfläche verschwunden.
    Billy stand von seinem Stuhl auf – eine Miniaturausgabe unserer Regisseurstühle, mit seinem Namen auf der Lehne. »Daddy! Schau mal!«
    »Gehen wir ins Haus«, sagte ich, stand auf und legte den Arm um seine Schultern.
    »Siehst du es? Dad, was ist das?«
    »Eine Wasserhose. Gehen wir rein.«
    Steff warf einen raschen bestürzten Blick auf mein Gesicht und sagte dann: »Komm, Billy. Tu, was dein Vater sagt.«
    Wir gingen durch die Glasschiebetür ins Wohnzimmer. Ich schloss die Tür und warf bei dieser Gelegenheit noch einen Blick nach draußen. Der Silberschleier hatte den See zu drei Vierteln überquert. Er glich jetzt einer riesigen, mit rasender Geschwindigkeit herumwirbelnden Teetasse zwischen dem tiefhängenden, schwarzen Himmel und der Wasseroberfläche, die bleifarben war, mit weißen Chromstreifen. Der See sah gespenstisch aus wie ein Ozean, mit seinen hohen Wellen, die bedrohlich heranrollten und Gischt an den Kais und Wellenbrechern aufschäumen ließen. Weit draußen auf dem See warfen riesige Schaumkronen ihre Köpfe hin und her.
    Der Anblick der Wasserhose war hypnotisch. Sie hatte uns fast erreicht, als ein Blitz so grell zuckte, dass noch dreißig Sekunden später alles im Negativ vor meinen Augen brannte. Das Telefon gab ein bestürztes Kling von sich; ich drehte mich um und sah meine Frau und meinen Sohn direkt vor dem großen Verandafenster stehen, das uns ein großartiges Panorama des Sees in nordwestlicher Richtung bietet.
    Ich hatte eine jener schrecklichen Visionen, die vermutlich ausschließlich Ehemännern und Vätern vorbehalten sind – das Fenster zerbirst mit einem tiefen, harten Klirren und bohrt seine zackigen Glaspfeile in den nackten Bauch meiner Frau, in Gesicht und Hals meines Jungen. Die Schrecken der Inquisition sind eine Kleinigkeit, verglichen mit den Horrorszenen, die wir im Geiste vor uns sehen, wenn wir geliebte Menschen in Gefahr glauben.
    Ich packte beide ziemlich unsanft und riss sie zurück. »Was, zum Teufel, macht ihr da? Macht, dass ihr hier wegkommt!«
    Steff warf mir einen bestürzten Blick zu. Billy sah mich an wie jemand, der gerade aus tiefem Traum gerissen worden ist. Ich führte sie in die Küche und machte Licht. Das Telefon gab wieder ein Klingelingeling von sich.
    Dann kam der Wind. Es war, als hätte das Haus vom Boden abgehoben wie eine 747. Der Wind war ein hohes, atemloses Pfeifen, dann wieder ein dröhnender Bass, der Sekunden später in ein keuchendes Kreischen überging.
    »Geht nach unten«, befahl ich Steff, und jetzt musste ich brüllen, um mich verständlich zu machen. Direkt über dem Haus trommelte der Donner mit riesigen Stöcken, und Billy klammerte sich an mein Bein.
    »Du auch!«, schrie Steff zurück.
    Ich nickte und machte scheuchende Bewegungen. Billy musste ich von meinem Bein regelrecht losreißen. »Geh mit deiner Mutter. Ich will noch ein paar Kerzen holen, falls das Licht ausgeht.«
    Er ging mit ihr, und ich begann Schränke aufzureißen. Kerzen sind etwas Komisches, wissen Sie. Man legt sie jeden Frühling bereit, weil man weiß, dass ein Sommersturm die Stromversorgung lahmlegen kann. Und wenn es dann soweit ist, sind sie unauffindbar.
    Ich wühlte nun schon den vierten Schrank durch. Dabei stieß ich auf die paar Gramm Gras, die Steff und ich vier Jahre zuvor
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