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Blut - Skeleton Crew

Blut - Skeleton Crew

Titel: Blut - Skeleton Crew
Autoren: Stephen King
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gekauft, aber kaum je geraucht hatten; ich stieß auf Billys ausziehbares Gebiss, das aus einem Scherzartikelladen in Auburn stammte; auf Stapel von Fotos, die Steffy immer in unser Album einzukleben vergaß. Ich schaute unter einem Katalog von Sears und hinter einer Kewpie-Puppe aus Taiwan nach, die ich beim Jahrmarkt in Fryeburg gewonnen hatte, als ich mit Tennisbällen nach Milchflaschen aus Holz warf.
    Ich fand die Kerzen hinter der Kewpie-Puppe mit den toten Glasaugen. Sie waren noch in Zellophan verpackt. Als ich sie in die Hand nahm, gingen die Lampen aus, und die einzige Elektrizität war die am Himmel. Das Esszimmer wurde von einer Serie weißer und purpurner Blitze in grelles Licht getaucht. Ich hörte, dass Billy unten in Tränen ausbrach, und dass Steff leise und beruhigend auf ihn einsprach.
    Ich musste noch einen Blick auf den Sturm werfen.
    Die Wasserhose war entweder an uns vorbeigezogen, oder am Ufer zusammengebrochen, aber ich konnte immer noch keine zwanzig Meter auf den See hinaus sehen. Das Wasser war in wildem Aufruhr. Ein Dock – möglicherweise das von Jassers – wurde vorbeigetrieben, wobei seine Hauptträger abwechselnd in den Himmel ragten und im schäumenden Wasser versanken.
    Ich ging nach unten. Billy rannte auf mich zu und umklammerte meine Beine. Ich hob ihn hoch und drückte ihn fest an mich. Dann zündete ich die Kerzen an. Wir saßen im Gästezimmer, das durch einen Gang von meinem kleinen Atelier getrennt ist, blickten einander beim flackernden gelben Kerzenschein ins Gesicht und lauschten, wie der Sturm brüllte und an unserem Haus zerrte. Etwa zwanzig Minuten später hörten wir ein gewaltiges Krachen, und eine der Fichten stürzte zu Boden. Dann herrschte Stille.
    »Ist es vorbei?«, fragte Steff.
    »Vielleicht«, sagte ich. »Vielleicht auch nur vorübergehend.«
    Wir gingen nach oben, jeder mit einer Kerze, wie Mönche auf dem Weg zur Vesper. Billy trug seine stolz und behutsam. Eine Kerze zu tragen, das Feuer zu tragen, war etwas Besonderes für ihn. Es half ihm, seine Angst zu vergessen.
    Es war zu dunkel, das Ausmaß des Schadens ums Haus herum zu sehen. Billys Schlafenszeit war überschritten, aber keinem kam es in den Sinn, ihn ins Bett zu bringen. Wir saßen im Wohnzimmer, lauschten dem Wind und betrachteten die Blitze.
    Etwa eine Stunde später kam wieder Wind auf. Drei Wochen lang hatten wir Temperaturen über dreißig Grad gehabt, und an sechs dieser einundzwanzig Tage hatte der nationale Wetterdienst am Jetport von Portland sogar Temperaturen über vierzig Grad gemeldet. Komisches Wetter! Zusammen mit dem strengen Winter, der hinter uns lag, und mit dem späten Frühling hatte das schon dazu geführt, dass manche Leute wieder diesen alten Blödsinn über die Langzeitwirkung der Atombombentests der 50er Jahre hervorkramten. Und natürlich auch wieder das Ende der Welt prophezeiten. Den ältesten Unsinn überhaupt.
    Die zweite Bö war nicht so stark, aber wir hörten das Krachen mehrerer Bäume, die vom ersten Angriff schon geschwächt gewesen waren. Als der Wind gerade wieder schwächer wurde, fiel ein Baum dröhnend auf das Dach – wie eine Faust, die auf einen Sargdeckel schlägt. Billy sprang auf und schaute ängstlich nach oben.
    »Es hält, Liebling«, beruhigte ich ihn.
    Billy lächelte nervös.
    Gegen zehn kam die letzte Bö. Sie war schlimm. Der Wind heulte fast so laut wie beim ersten Mal, und die Blitze zuckten auf allen Seiten ums Haus. Noch mehr Bäume wurden geknickt. Am Wasser ertönte ein ohrenbetäubendes Krachen. Steff stieß einen leisen Schrei aus. Billy war auf ihrem Schoß eingeschlafen.
    »David, was war das?«
    »Das Bootshaus, nehme ich an.«
    »Oh! O Gott!«
    »Steffy, wir sollten wieder nach unten gehen.« Ich nahm Billy auf den Arm und stand mit ihm auf. Steffs Augen waren groß und verängstigt.
    »David, werden wir die Sache heil überstehen?«
    »Ja.«
    »Wirklich?«
    »Ja.«
    Wir gingen nach unten. Zehn Minuten später hörten wir von oben lautes Klirren – das Verandafenster. Demnach war meine Vision von vorhin doch nicht so verrückt gewesen. Steff, die gedöst hatte, schreckte mit einem Schrei hoch, und Billy bewegte sich unruhig im Gästebett.
    »Es wird hereinregnen«, sagte sie. »Der Regen wird die Möbel ruinieren.«
    »Und wenn schon. Sie sind versichert.«
    »Das macht es auch nicht besser«, sagte sie mit aufgeregter, zänkischer Stimme. »Die Kommode deiner Mutter … unser neues Sofa … der
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