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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser
Autoren: László Darvasi
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Stimmung hellte sich sogleich auf, doch lange konnte er sich nicht freuen, denn Derera trat neben ihn, er riss ihm das Geld aus der Hand und stürmte davon. Plötzlich entstand eine Unruhe unter den Leuten, sie schrien und liefen alle in eine Richtung. Ein ungutes Gefühl beschlich das Mädchen, der Vater zog sie mit sich fort, eine Marktfrau schimpfte hinter ihnen her. Pelsőczy drängte sich mit dem Kind ins Gewühl.
    Ein Mensch lag im Staub.
    Das ist ein Toter, so sieht der Tod aus! Hab keine Angst vor ihm, Klara! Aber dass du dir nie ihre Nägel ansiehst!
    Der Mann lag neben einer Mulde, die mit Kohlblättern gefüllt war, direkt am Druckereigebäude, über dem Haus kreiste eine Schar Tauben. Einige Damen öffneten ihre Schirme, sie schützten ihren Atem bereits mit Tüchern. Vor dem Gebäude standen die Drucker, näher wagten sie sich nicht heran, ihre schwarzen Kittel schlugen gegen die Stiefelschäfte, manche bedeckten den Kopf mit einem Taschentuch.
    Der Mann war zusammengebrochen und gestorben. Vielleicht hatte er nichts gespürt, war einfach nur gestorben, seineKappe war weggerollt, seine Tasche neben ihm zu Boden gefallen, die Tasche eines Schreibers, weißes Papier hing heraus, darauf ein Stempel und eine verschnörkelte Unterschrift. Sein eines Bein war abgewinkelt, das Haar klebte wirr an der roten Kopfhaut, seine Lippen waren blau, die Zunge wurde sichtbar. Das Mädchen starrte seine Hand an, die Fingernägel. Sicher sind sie deshalb beängstigend, weil sie auch noch wachsen, wenn man nicht mehr lebt.
    Ein rundlicher Mann, der nach Tabak roch, stand vor ihr.
    Musst du dir das ansehen, Kleine?
    Der Vater drückte ihr ermutigend das Handgelenk.
    Ich weiß nicht, sagte Klara, ich weiß noch nicht, was ich sehen darf und was nicht. Aber was ich nicht sehen kann, darauf bin ich neugierig!
    Du musst das nicht sehen, Kleine, krächzte der bärtige Mann.
    Ich habe es ja schon gesehen!, Klara zuckte die Achseln, ich bin nicht mehr neugierig.
    Der Mann klopfte Pelsőczy wohlwollend auf die Schulter.
    Ich würde Ihrer Tochter gerne etwas sagen, Herr Pelsőczy!
    Bitte, Herr Schütz, nur zu, gibt es denn ein Ereignis, zu dem Sie keinen Kommentar abgeben?!
    Der Arzt wandte sich wieder an das Kind, merke dir, meine Kleine, nicht der stirbt, der begraben wird.
    Wer dann?!
    Wer sein will wie die Toten! Und Doktor Schütz winkte dem Fuhrmann, den Leichnam wegzubringen.
    Einer der Drucker riss sich das Taschentuch vom Kopf und winkte dem Karren hinterher. Auf Wiedersehen, Tod! Wir treffen uns noch, Tod!
    Zufrieden mit sich ging Herr Schütz seiner Wege. Das kleine Mädchen sah den Vater an, Papa, stimmt es, dass Herr Schütz einmal sterben wollte?, fragte sie.
    Woher hast du das?!, Pelsőczy war überrascht.
    Von nirgends her, ich habe nur gedacht, dass es so ist, als ich ihn angesehen, in sein rotes Gesicht gesehen habe.
    Der Vater schwieg bestürzt, schniefte, es stimmt, es ist wohl wahr, sagte er schließlich.
    Warum, warum wollte der Onkel Doktor sterben?!
    Diejenigen, die ihn nicht mehr geliebt haben, wollten ihn lebend begraben. Pelsőczy wandte sich ab, so aufgewühlt war er wegen Klara, dass er nicht weitersprechen wollte.

Wach auf, László Pelsőczy!
    Im Sommer des Jahres 1845 herrschte eine Hitze, als wäre die Welt unter einer heißen Glasglocke gefangen. Am frühen Nachmittag wurde heftig an Klaras Fenster gepocht: Es sei etwas passiert. Sie fragte nichts, warf sich ein Tuch um und rannte los. Terézia Frei hatte die Nachricht gebracht, die Hutmacherin war aus ihrem Laden geradewegs in die Schwarzer-Adler-Straße gelaufen, von dort eilten sie gemeinsam weiter. Keuchend hastete Klara neben Terézia her, das Rascheln ihrer Kleider klang so seltsam. Erst beim Fischmarkt wagte sie zu fragen, was es denn sei, das keinen Aufschub dulde.
    Ihrem Vater sei etwas passiert, am anderen Ufer, schnaufte Terézia und blieb stehen, weil sie keine Kraft mehr zum Weiterlaufen hatte. Rot im Gesicht, die Lippen weit geöffnet, keuchte sie, Klara staunte, wie schön sie war. Noch nie hatte sie die junge Hutmacherin schön gefunden. Es stank übel nach Fisch, kapitale Störe wurden gerade geliefert. Auf Terézias Stirn glitzerten Schweißperlen, als hätte sie gerade geliebt, als wäre es erst ein paar Minuten her, dass sie vor Wonne nach Atem gerungen hatte. Sie würde sicher zusammenzucken, wenn sie sie am Rückgrat berührte. Klara spürte, wie sie ruhig wurde. Also auf der anderen Seite, dachte sie, drüben. Sie blickte zum
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