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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser
Autoren: László Darvasi
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Ufer hinüber, als könne sie durch das Grün der Gärten, das den Fluss verdeckte, hindurchsehen, durch die kümmerlichen Häuser, die sich wie bestrafte Kinder aneinanderdrängten.
    Ja, am anderen Ufer, keuchte Terézia.
    Wie war er dort hingekommen?
    Wie sollte sie das wissen. Vielleicht war er hinübergeschwommen. Oder die Strömung hatte ihn hinübergespült!
    Wann ist es geschehen?
    Terézia Frei antwortete nicht, nur ihr Blick verriet, dass sie mehr nicht sagen konnte. Sie wurden bereits beobachtet, ein halbnackter Mann, ein großer, muskulöser Kerl, deutete auf sie, während er mit einer Frau sprach, Klara sah, dass er sich über sie verbreitete.
    Krepier, dachte sie.
    Vater konnte nicht schwimmen, flüsterte sie, da bemerkte sie Berger, der ihr zuwinkte, sein Kahn stehe bereit, er bringe Klara hinüber, wenn sie wolle. Berger, sieh an! Klara entschied sich nicht für sein Boot, irgendwie wäre das unpassend gewesen, und nicht nur deshalb, weil Berger ihren Vater einmal übel verprügelt hatte. Der Schiffsbesitzer schüttelte den Kopf, sein Lächeln wurde höhnisch, er zuckte mit den Schultern und spuckte aus. Klara achtete gar nicht darauf, wem der Kahn gehörte, anscheinend war es ein junger Mann, eine seltsame weiße Gestalt, über dem weißen Hemd ein schwankes weißes Gesicht, doch sie überlegte nicht lange und stieg in das schlingernde Gefährt.
    Schnell, schnell!
    Das Boot glitt von der Mole weg, die Ruder klatschten laut auf das Wasser, schon trieben sie in der Strömung, Klara ließ das gegenüberliegende Ufer nicht aus den Augen, den silbrigen Vorhang der Weiden, die ins Wasser greifenden Wurzeln, die gelb glänzenden Sandbänke. Sie hatten die Mitte des Flusses erreicht, der wegen der wochenlangen Hitze schmal war, tückische Strudel wirbelten um ihr Boot. In der Uferbiegung erblickte Klara eine Menschengruppe, etliche Kähne hatten inzwischen angelegt, aus den nahen Lagerhallen kamen Arbeiter herbeigelaufen, offenbar war auch ihr Vater irgendwo dort. Ein Ruder spritzte ihr Wasser ins Gesicht, sie wischte es nicht ab.
    Ist er tot?, fragte sie.
    Der Mann im Boot nickte.
    Wie ist er ans andere Ufer gelangt?
    Er ist hinübergeschwommen.
    Er konnte nicht schwimmen, antwortete Klara, ohne den Mann anzusehen.
    Er kann trotzdem rübergeschwommen sein, gab der Mann zurück, und weil sie angekommen waren, sprang er ins Wasser, versank bis zur Hüfte und zog das Boot ächzend mit sich. Aus dem Menschenauflauf klangen ihnen Rufe entgegen, sie sollten sich beeilen! Klara erkannte zwischen den Beinen das Gesicht des Vaters. Er lebte nicht mehr. Trotzdem schien er sie anzusehen, mit diesem fremden, fürchterlichen Lächeln, das Klara selten gesehen hatte und doch so gut kannte. Die Angst presste ihr das Herz zusammen, dennoch trat sie näher. Wortlos gaben die Leute den Weg frei. Klara bückte sich und begann die Fingernägel des Vaters zu betrachten.
    Wach auf, László Pelsőczy, wach auf, flüsterte sie.
    Ein Käfer lief über die schlammbedeckte Stirn des Toten. Eine Hand legte sich auf ihre Schulter, und sie hörte die heisere Stimme von Imre, sei mir nicht böse, Klara. Ihr Mann bat sie um Verzeihung, als hätte er etwas mit dem Geschehenen zu tun. Klara wollte aufblicken, brachte es jedoch nicht fertig. Sie starrte von neuem auf die Finger, auf die eingerissenen Nägel des Toten.
    Wach auf, László Pelsőczy!
    Wach auf, László Pelsőczy!

Klara, das Schiff
    Sie würde sich immer an die Menschen erinnern, die dicht gedrängt am Ufer standen, an ihre geröteten Gesichter, an das Brausen, das beim Anblick des herannahenden Schiffs aus der Menge stieg. Es war der September des Jahres 1833. Ein Fleischer, sie kannten ihn, warf seinen Hut in die Höhe, und Klara dachte, dass seine Hände auch jetzt noch blutig sein mussten,genauso wie in seinem Laden, wenn er dem Vater Schenkel und Schulterstücke anbot. Bei diesem Fleischer hatte ihr einmal ein Schweinekopf zugezwinkert, streichle mich, Kleine! Und sie tat es, sie streichelte den Schweinekopf, ja, sie gab ihm sogar einen Kuss, und das Schwein röchelte glücklich, bis der Fleischer sich vorbeugte, was führt Ihre Tochter da auf, Herr Pelsőczy?
    Die Menschen sammelten sich bei der Mauer der Bierhallenkaserne, bevölkerten den Fischmarkt, selbst auf den Lichtungen der Hexeninsel drängten sie sich, sie kletterten auf die Bäume, um Ausschau zu halten. Der Vater hob Klara hoch, soll auch sie sehen, wie vom Südufer her Jungen gelaufen kamen, einige ohne
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