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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser
Autoren: László Darvasi
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während des Hämmerns begannen sie zu reden, sie flüsterten und stimmten misstönende Gesänge an, sie beteten und lästerten, haspelten, einander ins Wort fallend, und dabei schlugen sie die bunten kleinen Nägel, die sie auf Klaras Vorschlag in Farbe getaucht hatten, in das Fleisch des Holzrahmens. Sie hatten ein Glas voller gefärbter Nägelchen und zahllose bunte Leisten und Holzstücke, sie verbrauchten sie alle. Priester und Dichter, Soldaten, Agenten, Verkäufer und Marktschreier redeten so, wie sie es jetzt taten. Nun hatte die Außenwelt zu bestehen aufgehört, und sie waren nur noch Worte, es gab keinen Spalt, keine Ritze, durch die das Licht sich zu ihnen hätte hereinstehlen können. Sie spielten so wie früher, als die umherirrenden Rauchwolken der Revolution einander durch die Straßen gejagt hatten. Sie spielten so, wie in den vom Fieber glühenden Jahren der Reformen, als sie das System der für sie geltenden Regeln verfeinerten, die sie interessanterweise niemals absichtlich verletzten, weil sie weder der Freude der Rebellion noch derjenigen des Betrugs besonderen Sinn beimaßen, letztlich war das Spiel viel zu ernst geworden, als dass man hätte betrügen sollen. Und schließlich wurden auch die Regeln von ihrem Schmerz aufgehoben, ihre Umarmungen brachen Knochen, ihren Äußerungen entsprangen Bisse, unsichtbare Blüten wirbelten über ihnen, sie bluteten, sie bluteten. Der Doktor drohte, jammerte und flehte eine Zeitlang mit kreischender Stimme, er hämmerte mit dem Stock gegen die Tür, riss an der Klinke, so etwas könne, dürfe man nicht tun, das sei Wahnsinn, das heiße Gott versuchen, er werde Gendarmen rufen, Soldaten, oder Priester, den ganzen Vatikan werde er auf sie loslassen! Sie lachten nur überdie Verzweiflung des Alten, sie verhöhnten ihn und gaben ihm freche Antworten. Aber das gefällt Ihnen doch, Herr Schütz! Es ist Ihnen ganz recht, dass es so geschieht! Und sie erzählten ihm, was sie bis dahin vielleicht nicht einmal einander erzählt hatten, sie erzählten ihm von den menschlichen Bezirken hinter dem Verstummen und hinter der atmenden Stille, sie erzählten ihm von den Pflanzen, die im Schatten der Worte leben, sie erzählten ihm die in den Geschichten weggelassenen Geschichten, die in der Welt weggelassenen Welten. Vielleicht deswegen bleibt Gott außerhalb des Menschen, den man dennoch nicht Verräter schimpfen darf! Tausend Nägel hämmerten sie in Tür und Fensterrahmen, tausendundeinen.
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