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Blumen fuer Zoë

Blumen fuer Zoë

Titel: Blumen fuer Zoë
Autoren: Antonia Kerr
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ein schwarzes Kleid. Dann war ich es, auf den sie ihr trauriges Auge warf. Da ich die Schwäche habe, andere Leute von ihrem Kummer befreien zu wollen und darüber meine eigene Verzweiflung zu vergessen, ließ ich sie gewähren. Mit Erstaunen registrierte ich, dass mein Schwanz sich ohne Umschweife aufstellte. Dass das Erstaunen beiderseitig war, begriff ich, als Zoë ausrief: »Ach du grüne Neune, was ist denn mit dir passiert? Du kriegst ja einen Ständer!«
    Wir machten Station in Cornish, da ich gehört hatte, dass Salinger sich dort nach seinem Erfolg mit dem
Fänger im Roggen
niedergelassen hatte. Ich erhoffte mir ein zufälliges Gespräch unter vier Augen mit dem Genie – vielleicht würde er ja zum Einkaufen aus dem Haus kommen, aber nachdem ich einige Einwohner in den Buchhandlungen und Cafés vor Ort befragt hatte, war schnell klar, dass keiner dieser modernen Widerstandskämpfer mir gegenüber auch nur die kleinste Information herausrücken würde. Am Abend zogen wir durch die Kneipen der Stadt – Schriftsteller trinken gern, hatte ich mir gesagt – ohne auch nur die geringste Spur von Jerome David aufzutun. »Du wirst deine Tränen unterdrücken müssen«, sagte Zoë voller Mitgefühl zu mir. Nach diesem Reinfall machten wir uns sofort wieder auf den Weg gen Süden, während die kupferfarbene Morgensonne zwischen den Kiefern aufging. Wir hielten nur noch einmal an, in Boston, um frischen Hummer zu kosten. Bei Einbruch der Dunkelheit erreichten wir New York. Das offene Verdeck gab den Blick auf einen Himmel frei, der sich nicht zwischen Egoismus und Großmut entscheiden konnte, und wir hatten Sicht auf das Meer, auf dem die üblichen Plastikflaschen umhertrieben. Als erste Reaktion legte Zoë die Hände an die Wangen. »Diese Stadt ist ja unglaublich schön, Richard!« Ihr Entzücken hielt auch noch bei der Wohnungsbesichtigung an. Als sie damit durch war, setzte sie sich mit Charlie Chaplin über der Schulter an den Wohnzimmertisch und rief aus, sie werde nie wieder weggehen. Ich gab zu bedenken, dass sie meiner sowie der Wohnung überdrüssig werden könnte, aber davon wollte sie nichts wissen.
    Ich nahm auf dem weißen Sofa Platz und schaute mich um – irgendetwas fehlte. Ich nahm den Hörer ab, um Condoleezza von meiner Rückkehr in Kenntnis zu setzen.
    Â»Das ist die beste Nachricht des Jahres! Mein lieber Richard … Sie haben mir gefehlt. Und ich dachte schon, Sie hätten mich nicht mehr gern.«
    Â»Sie haben mir auch gefehlt, Condoleezza. Wann nehmen Sie Ihre Arbeit wieder auf?«
    Â»Stellen Sie mich denn wieder ein?«
    Â»Ja dachten Sie denn, ich könnte ohne Sie leben? Das ist völlig ausgeschlossen, Condoleezza.«
    Von Zoës Existenz erfuhr sie an dem Tag, an dem sie wieder zur Arbeit kam. Noch im selben Moment, als Condoleezza ihre dicke, dunkle Hand mit den künstlichen Fingernägeln in Richtung Zoës kompakterer, langgezogener Hand mit rosafarbenen, kurzgeschnittenen Nägeln ausstreckte, spürte ich, wie sich Rivalität zwischen den beiden breitmachte. Sie sprachen nicht miteinander. Neben den individuellen Erfahrungen, die sie beide mit meinem Körper gemacht hatten, teilten sie nur noch einen gewissen Hang zum Theatralischen, was ihre Gesprächsbereitschaft ein wenig einschränkte.
    Ich wartete nicht lange und nahm meine Therapie an der Stelle wieder auf, an der ich sie unterbrochen hatte. Hawthorne schluckte inzwischen Beruhigungsmittel, um seine Frau durch deren dritte existentielle Krise zu begleiten. Mit gedämpfter Stimme fragte er mich, mit welchem Problem ich zu ihm käme.
    Â»Ach, wenn’s doch nur eins wäre«, erwiderte ich. Und dann breitete ich meine mechanische Störung vor ihm aus.
    Â»Was können wir da groß tun? Ihre Begleiterin ist jung, und Sie befinden sich auf dem absteigenden Ast, nicht wahr?«
    Â»So viel steht fest!«
    Â»Die eigentliche Frage ist doch, ob Sie Evelyn vermissen?«
    Â»Da sie doch recht außergewöhnlich ist, fehlt mir ihre Anwesenheit, ja.«
    Er räusperte sich und verstaute den Mont Blanc in der Schreibtischschublade.
    Â»Hätten Sie vielleicht gern eine … ähm … Art Spezialmittel?«
    Â»Sie als Psychiater sollten mir eigentlich sagen, dass sich alles bloß in meinem Kopf abspielt. Und wenn man bedenkt, was ich für jede Sitzung hinlege, sollten Sie
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