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Blumen Für Sein Grab

Blumen Für Sein Grab

Titel: Blumen Für Sein Grab
Autoren: Granger Ann
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Konserventomaten und Abwaschwasser.

    »Oh, Gillian«, sagte Mrs. Hardy.
    »Ich bin ja so froh, dass du heute nicht so spät bist. Du wirst doch den Nachmittag zu Hause bleiben, oder? Ich weiß, es ist dein freier Nachmittag, aber ich würde gerne Mrs. Freeman besuchen, und du weißt ja, dass ich Dad nicht gerne alleine lasse.«
    Eigentlich hätte sie sagen müssen:
    »Dad mag es nicht, allein gelassen zu werden«, doch obwohl die Haushaltsführung in jeder Hinsicht Mr. Hardys Bedürfnissen Rechnung trug, gab es eine Art Verschwörung zwischen Mutter und Tochter, um diese Tatsache zu verschleiern. Gillian und Mrs. Hardy trugen die Folgen jeder Entscheidung, wohingegen Mr. Hardy derjenige war, der die eigentlichen Entscheidungen traf.

    »In Ordnung«, sagte Gillian.
    »Vielleicht bringe ich den Garten in Ordnung.«
    »Dad und ich haben uns eine Dose Suppe zum Mittagessen geteilt. Falls du etwas essen möchtest, im Kühlschrank ist Käse …«
    »Ich hab in der Tierpension gegessen.« Was nicht der Wahrheit entsprach. Bis auf den Kaffee und das Biskuit hatte sie nichts zu sich genommen, doch das konnte Mrs. Hardy schließlich nicht ahnen.
    »Ich hab Würstchen zum Tee«, sagte sie und nahm ihre Handtasche auf.
    »Dad liest in seinem Buch aus der Leihbücherei. Das Bild trocknet wohl noch oder so, daher glaube ich nicht, dass er ins Atelier geht. Er sollte dir nicht zur … er sollte eigentlich alles haben, was er braucht.« Als Mrs. Hardy gegangen war, betrat Gillian das winzige Wohnzimmer mit der niedrigen Decke und den Eichenbalken. Ihr Vater saß in seinem Rollstuhl beim Fenster, von wo aus er die Straße übersehen und das Fox Pub gegenüber beobachten konnte. Er las in einem Thriller und starrte ungläubig auf die Seiten des Buches. Als seine Tochter eintrat, blickte er auf und kam ohne Begrüßung zur Sache.
    »Die Bücherei in Chippy hat heute Abend lange auf. Nach dem Tee springst du ins Auto und fährst kurz vorbei, um meine Bücher umzutauschen. Das hier kenne ich schon. Sieh nur!« Er hielt es hoch.
    »Dort ist meine Markierung, auf der Rückseite! Ich hab es deiner Mutter schon ein Dutzend Mal gesagt, achte auf meine Markierungen! Aber sie vergisst es immer wieder!«
    »Gut. Ich gehe nur eben auf mein Zimmer und ziehe mich um.« Er war bereits wieder mit mürrischem Gesicht in sein Buch versunken und antwortete nicht. Gillian ging nach oben in ihr winziges Zimmer unterm Dach und zog ihre Arbeitskleidung aus. Sie schlüpfte in eine andere Jeans und einen sauberen Pullover, nahm die Tweedjacke und trat damit zu ihrem Bett. Sie setzte sich mit untergeschlagenen Beinen auf die Tagesdecke, schob eine Hand in die Innentasche der Jacke und nahm einen zerknitterten Umschlag aus Manilapapier heraus. Es war kühl in dem kleinen Zimmer, das niemals geheizt wurde, doch Gillian schwitzte. Ihre Finger betasteten den Umschlag. Das flaue Gefühl in der Magengegend war zurückgekehrt und steigerte sich noch, als sie die beiden zerknitterten Fotografien herauszog, um sie anschließend vorsichtig flach auf der Patchwork-Tagesdecke glatt zu streichen. Es waren Schwarzweißfotos, relativ große Abzüge, dreizehn mal achtzehn. Das eine Foto zeigte Mrs. James mit einer Katze, das andere Mrs. James mit einem Hund. Der Hund hechelte munter, und die Katze, frisch gebürstet wie ein Fellball, sah mit einem Blick in die Kamera, der Bände sprach. Beide Fotografien waren im Vorjahr entstanden, für eine Broschüre über die Tierpension, um das Geschäft zu beleben. Die glänzenden Originale hatten seither offensichtlich eine raue Behandlung erfahren. Doch die eigentliche Beschädigung war nicht Folge gewöhnlichen Betrachtens. Auf beiden war das Gesicht von Mrs. James vorsätzlich und entschlossen mit einer Rasierklinge bis zur Unkenntlichkeit zerschnitten. Das freche Grinsen des Hundes und der gebürstete Katzenkopf waren unberührt, was die Zerstörung des menschlichen Gesichts umso stärker hervorhob. Die Verstümmelung ließ ein System erkennen. Eine Linie war über die Augen gezogen, eine weitere entlang der Nase. Beide Ohren waren durch die Schnitte vom Kopf abgetrennt. Der Mund wurde von einem diagonalen Kreuz überzogen, das aussah wie ein Multiplikationszeichen, und die Kehle war durchschnitten. Gillian kaute auf ihrer Unterlippe, doch sonst blieb ihr Gesicht emotionslos. Das Magenflattern hatte aufgehört, nachdem die Fotos tatsächlich vor ihr lagen. Nach einer Weile schob sie die grässlichen Bilder zurück in den
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