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BLUFF!

BLUFF!

Titel: BLUFF!
Autoren: Manfred Lütz
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fragen an entscheidenden Punkten ihres Lebens nach dem Sinn des Ganzen, und auch biederen Kunden ist es nicht gleichgültig, ob sie übers Ohr gehauen werden, also ob jemand wirklich gut oder wirklich böse handelt.
    Ob ich einen Menschen wirklich liebe und ob er mich auch liebt, das ist aber keine Frage wie die Frage nach einem Stück Wurst, es ist eine existenzielle Frage, eine entscheidende, vielleicht eine lebensentscheidende Frage, die wohl jeder Metzger, jeder Zimmermann, aber für sich selbst auch jeder Philosoph, jeder Therapeut, jeder Künstler und auch sonst jeder Mensch irgendwann im Leben einmal hat.
    Und ob dieses ganze Leben einen großen Sinn hat, in den sich der kleine Sinn meines eigenen Lebens einfügt, ob es Gut und Böse wirklich gibt, ob ein Gott existiert oder ob das alles im Letzten sinnlos ist, diese Fragen lassen niemanden ungerührt. Und so sind dann doch zumindest diese existenziellen Fragen Fragen nach dem echten Leben, denen letztlich kein Mensch dauerhaft ausweichen kann:
     
    Wenn ich der Überzeugung bin, dass ich einen Menschen wirklich liebe, ist das in Wirklichkeit bloß irgendeine zeitweilige Sichtweise, die unter hormonellen, ästhetischen oder psychologischen Aspekten Gültigkeit beansprucht, oder ist das mehr, ist das etwas, das tiefer geht und den ganzen Menschen existenziell betrifft? Mit anderen Worten: Ist wahre Liebe wahr?
    Und ist die Frage nach dem Sinn des ganzen Lebens, also nicht bloß nach dem Sinn einer Therapie oder irgendeiner Verrichtung eine Frage, auf die es eine existenzielle, eine wahre Antwort gibt und nicht bloß irgendwelche mehr oder weniger unterhaltsamen Albernheiten? Gibt es also einen Sinn des Lebens? Gibt es Gott, ja oder nein?
    Und schließlich: Gibt es das Gute und das Böse wirklich? Oder gibt es da bloß schlechte Erziehung, gesellschaftliches Versagen oder Neurotransmitterprobleme im Frontalhirn?
     
    Um diese existenziellen Fragen wirklich zu beantworten, müsste man über all die künstlichen Welten hinausgehen, die man selber gestaltet oder in denen man einfach so lebt, man müsste von der Bühne herunter und das phantasievolle Spiel all der unterschiedlichen Perspektiven hinter sich lassen und man müsste sich hinaushangeln aus der Höhle des Platon, um im hellen Licht der Sonne wenigstens ahnen zu können, was angesichts des sicheren Todes und der Unwiederholbarkeit jedes Moments zu Recht beanspruchen kann, wahr zu sein.
    Doch da gibt es heutzutage Probleme, gewaltige Probleme.
    Es ist ohnehin mühsam, manchmal sogar leidvoll, sich diesen ernsten Fragen zu stellen. Herzzerreißender Liebeskummer füllt die Romane aller Zeiten, um die Frage nach dem Sinn des Lebens ringen manche Menschen ein ganzes Leben lang, und Gewissensbisse sind auch nicht gerade vergnügliche Erlebnisse. Und so ist es kein Wunder, dass Menschen sich liebend gerne ablenken lassen von solchen existenziellen Themen. Hinzu kommt, dass es handfeste Interessen gibt, den Menschen eine Welt vorzuschwindeln, in der diese existenziellen Fragen scheinbar einfach nicht vorkommen. Und so wäscht eine Hand die andere.
    Es wird mit einigem Aufwand für verunsicherte Zeitgenossen eine künstliche Welt erzeugt, die sehr real erscheint, eine schöne neue Welt, in der natürlich nichts unklar sein darf und in der es dank Google keine unbeantworteten Fragen mehr gibt, in der Drogenabhängige besonders aufwendig therapiert und psychisch Kranke in professionelle Ghettos abgeschoben werden können, eine Welt, in der also die absolute Normalität herrscht, in der alle Tyrannen als verrückt gelten und unsereins selbstverständlich als total normal, eine Welt, in der beunruhigende Mönchsgeschichten Kindermärchen sind, eine Welt, in der Kunst ein Geschäft und Kinder Erziehungsobjekte sind, mit anderen Worten eine Welt, in der es keine existenziellen Beunruhigungen gibt, weil es in ihr scheinbar absolut sicher nur eine einzige reale Welt gibt, die man sehr gut kennt und in der daher auch nichts wirklich Unerwartetes geschehen kann. Es ist eine Welt für die Spießer, die wir alle ein bisschen sind.
    Aber Moment mal.
    War da nicht noch etwas?
    Wo bleibt denn dann die eine, unberechenbare, erschütternd existenzielle Welt für Sie und mich, also für den einen unverwechselbaren und zudem auch noch sterblichen Menschen?
    Diese Realität bleibt in unseren Tagen gut versteckt hinter dem lärmenden Maskenzug einer aus ganz vielen Welten zusammengesetzten künstlichen Welt, die sich machtvoll
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