Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
BLUFF!

BLUFF!

Titel: BLUFF!
Autoren: Manfred Lütz
Vom Netzwerk:
sich gerade hineinphantasiert haben, die wirkliche Welt ist. Kinder schließen keine Verträge, Kinder verdienen kein Geld, Kinder fällen keine Lebensentscheidungen. Für Kinder ist die Welt noch ein großes Spiel. Erst für Erwachsene kann es von ausschlaggebender Bedeutung sein, ob etwas wahr oder falsch ist, und erst für Erwachsene ist es nicht mehr spaßig, sondern unheimlich, wenn man nicht mehr weiß, ob die Welt, in der man lebt, gefälscht ist oder nicht.
     
    Doch es gibt für uns Erwachsene auch die lebenssatte Variante des absichtlichen Ausstiegs aus der oft so tyrannischen öden Alltagswelt, die sich uns allen Tag für Tag als die einzig wahre aufdrängt. Wenn auch wir noch einmal, gesellschaftlich akzeptiert, mit vielen phantastischen Welten spielen wollen, fast so, wie Kinder das noch können, dann geht das am erfreulichsten über Kunst und Musik. Nicht nur Kindern, sondern auch Künstlern stehen Welten offen, die alle Fesseln sprengen, die uns ein nützlicher Realismus anlegt, und zugleich können sie vielleicht ganz unbefangen die Aufmerksamkeit auf den Kern des Ganzen richten, auf die eigentliche Wirklichkeit, die uns im grauen Alltag mit seinen routinierten Richtigkeiten und in all den bunten künstlichen Welten mit ihren phantastischen Möglichkeiten leicht aus dem Blick gerät.
    In einem Roman kann der Autor eine ganze Welt aus Himmel und Hölle, Liebe und Hass, Güte und Schäbigkeit entstehen lassen, und allein er bestimmt, was in dieser Welt wahr und falsch ist. Und der Leser kann in diese kunstvolle Welt eintauchen, kann in ihr leben, denken und fühlen, obwohl es sie in Wirklichkeit ja eigentlich gar nicht gibt. In der Science-Fiction-Literatur wird eine Welt geschaffen, die Zeit und Raum völlig sprengt und in der wir uns dennoch lesend aufhalten können. Nichts von dem, was da beschrieben wird, kann es tatsächlich geben, aber dennoch können wir uns ganz widerstandslos hineinfühlen in diese »Welt«.
    Auch das Theater und der Film erfinden Welten, in denen die Regeln unserer scheinbar einzig wahren Welt einfach außer Kraft gesetzt werden können, und sie ziehen uns hinein in diese Welt und ihre phantasierten Wirklichkeiten. Wie wäre es aber, wenn unsere angeblich so wahre Welt auch nur eine andere Erzählung wäre, aus der wir genauso aussteigen könnten, wie wenn wir ein Buch weglegen, das uns langweilt? Der bildende Künstler kann dreidimensionale Gestalten schaffen, die in einer reibungslos funktionierenden Welt völlig sinnlos sind, die aber Anstoß erregen und so durch ihren Eigensinn den Betrachter aus der Bahn seiner üblichen Gedanken und Empfindungen hinaustragen. Ein Kunstwerk kann uns aussteigen lassen aus der alltäglichen Welt in eine flirrende künstliche Realität. Und der Maler schafft in nur zwei Dimensionen auf der hauchdünnen Wirklichkeit eines Blattes eine Welt aus Farben und Formen, die zu nichts zu gebrauchen ist und doch über Zeit und Raum hinweg die Menschheit in Bewunderung zu einen vermag. Die Musik schließlich ist die flüchtigste aller Künste und dennoch ist sie da, wirkt ein auf uns und andere, im Grunde Schallwellen nur, doch zweifellos für manche ein Universum, das ihnen mehr bedeutet als die handfeste Realität eines Bügels im Schrank.
    Aber während wir uns auf die Reise in all diese phantasierten Welten begeben, trägt uns das Gefühl, jederzeit in die Heimat unserer wahren Welt zurückkehren zu können, in eine Welt, die wir von Kindheit an zu kennen meinen und in der klar zu sein scheint, was wahr und falsch, echt und unecht, real und irreal ist.

2. Frösteln im falschen Film –
Das Abenteuer des Truman Burbank
    D och was wäre, wenn unsere Beunruhigung berechtigt und auch diese Welt nur eine konstruierte Wirklichkeit wäre, wenn unser ganzes Leben ein Auftritt auf einer gigantischen Bühne wäre und wir, wie der griechische Philosoph Platon annahm, um uns herum nur ganz unvollkommene Abbilder sähen, hinter denen eine geheimnisvolle eigentliche Wirklichkeit für immer verborgen wäre?
    Platon erzählt in der »Politeia« sein berühmtes Höhlengleichnis: Die Menschen sitzen in einer Höhle und sie gewahren an der Wand, auf die sie alle schauen, bewegte Szenen. Da sie festgebunden sind und sich niemals umdrehen, halten sie das, was sie da sehen, für die einzig wahre Welt, und es entgeht ihnen, dass das in Wirklichkeit nur Schattenbilder sind, die die wahre Welt nur höchst unzureichend ahnen lassen. Das sei das tragische Geschick des
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher