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BLUFF!

BLUFF!

Titel: BLUFF!
Autoren: Manfred Lütz
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gefunden oder verloren hat.
    Und je nachdem, welche Überzeugung er aus diesen Erfahrungen seines einmaligen Lebens gewonnen hat, wird er eine Antwort auf die Frage geben können, ob es überhaupt Sinn macht, dieses einzelne Leben als ein Ganzes zu betrachten, oder ob das alles bloß eine große bunte zufällige Sinnlosigkeit war.
    Wer die Fälschungen der Welt hinter sich lässt und sich der existenziellen Welt zuwendet, der kann wirklich leben, aber er kann auch der Frage nach dem Sinn des Lebens nicht mehr ausweichen, er muss mit seinem ganzen Leben höchst persönlich darauf antworten, und er muss die Konsequenzen seiner Antwort tragen.
    Der ungläubige polnische Philosoph Leszek Kolakowski hat gesagt: »Wenn Gott wirklich tot ist, dann reden wir uns vergeblich ein, dass der Sinn unversehrt geblieben sein könnte. Die gleichgültige Leere saugt uns auf und vernichtet uns. Von unserem Leben und unseren Mühen bleibt nichts zurück. Keinerlei Spuren hinterlassen wir im sinnlosen Tanz der Atome. Das Universum will nichts, strebt nichts an, kümmert sich um nichts, spricht weder Lob aus, noch verhängt es eine Strafe. Wer behauptet, dass es Gott nicht gibt und es lustig sei, belügt sich selbst.«
    Doch auch die Christen können sich nicht einfach beruhigen. Ihnen hat Ludwig Feuerbach ins Stammbuch geschrieben: »Die wahren Atheisten sind die heutigen Christen, die behaupten, an Gott zu glauben, aber genau so leben, als ob er nicht existiere; diese Christen glauben nicht mehr an die Güte, die Gerechtigkeit, die Liebe, d.h. alles, was Gott definiert; diese Christen, die nicht mehr an das Wunder, sondern an die Technologie glauben, die mehr Vertrauen in die Lebensversicherungen setzen als ins Gebet; die angesichts des Elends nicht mehr im Gebet Zuflucht suchen, sondern beim Vorsorgestaat.«
    Existenziell Atheist zu sein und existenziell Christ zu sein, ist nicht irgendeine lustige Rolle im großen Welttheater, sondern es ist zweifellos eine ernste Sache, die jeder für sich entscheiden muss und die eindeutig in der Wirklichkeit stattfindet, es ist eine Sache auf Leben und Tod.

3. Wie geht es hier raus?
    H ape Kerkeling ist ein außergewöhnlicher Künstler. Er kann hinreißend komisch sein und ist dann für wirklich jeden Spaß zu haben. Aber er hat auch ein unterhaltsam-nachdenkliches Buch geschrieben. »Ich bin dann mal weg« wurde ein großer Bestseller, und es war wohl Kerkelings Glaubwürdigkeit beim äußeren Gang nach Santiago de Compostela und beim inneren Gang zu sich selbst, die das Buch zum Mega-Erfolg machte. Es ist die amüsante, aber ganz ernst gemeinte Geschichte des Ausstiegs eines zwar besonders unterhaltsamen, aber sonst ziemlich normalen Menschen aus dem gewohnten Trott. Jeder Leser konnte sich damit auf die eine oder andere Weise identifizieren, und über die vielen lustigen Geschichten von den Begegnungen mit mehr oder weniger merkwürdigen Menschen blieb auch für den Leser der Impuls, zum Eigentlichen seines Lebens vorzudringen, zu dem, was in jedem Leben wirklich zählt, und nicht bei dem berühmten Spruch von Karl Valentin stehen zu bleiben: »Heute in mich gegangen – auch nichts los.«
    Es ist eine merkwürdige Eigenart des Rheinländers, lauthals zu verkünden: Ich bin dann mal weg, während er immer noch stämmig mit seinen zwei Zentnern mitten im Raum steht. Aber Hape Kerkeling war wirklich weg. Seine Pilgerschaft dauerte sechs Wochen, und es ging übrigens keinesfalls immer sehr geistlich zu auf der anstrengenden, frommen Wanderung. Zwischenzeitlich hadert er nicht nur mit seinen schmerzenden Füßen, sondern auch mit seiner Kirche, doch er geht dennoch ganz ernsthaft in den Gottesdienst, und dann am 3. Juli 2001, passiert es. Er hat eine tiefe Gotteserfahrung. Und obwohl er sonst das Herz auf der Zunge trägt und als glänzender Entertainer in der Lage ist, sogar aus jeder Kleinigkeit ein wirklich köstliches Spektakel zu machen – macht er daraus kein Spektakel, sondern berichtet diskreterweise nichts Näheres.
    Echte persönliche Gotteserfahrung ist etwas sehr Intimes, und es gibt eine natürliche Scheu, darüber öffentlich zu reden. Thomas von Aquin, der wohl größte Gelehrte des Mittelalters, hat eine solche Erfahrung am Ende seines Lebens gemacht und dann nichts mehr geschrieben. Der atheistische Sohn des Gründers der kommunistischen Partei Frankreichs, André Frossard, betrat am 8. Juli 1935 eine kleine Kapelle in der Rue d’Ulm in Paris, um dort einen Freund zu suchen.
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