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BLUFF!

BLUFF!

Titel: BLUFF!
Autoren: Manfred Lütz
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ist eine einzige Lüge. In Wirklichkeit kann man nichts wiederholen. Und während ein Film scheinbar nur Filmzeit kostet, die man tatsächlich beliebig wiederholen kann, kostet er, wenn wir ihn sehen, in Wahrheit echte, existenzielle, unwiederholbare Lebenszeit, die unbezahlbar ist. Erst wer die Kraft findet, sich im Bewusstsein der Unwiederholbarkeit jedes Moments der Unvermeidlichkeit des Todes zu stellen und die Fälschung der Welt als vielgestaltige übergriffige »Truman-Show« zu entlarven, wird sein eigentliches Leben leben können. Doch wie geht das?
     
    Perspektivwechsel hatte Frank Schirrmacher angesichts der sich aufdrängenden neuen Medien gefordert, sei das Gebot der Stunde. Und tatsächlich ist dieser Königsweg der systemischen Therapie, um aus eingefahrenen Sackgassen herauszukommen, nicht bloß das »Rettungsboot in der Sturmflut der Informationen« (Schirrmacher), das uns zur Aufmerksamkeit anleitet. Perspektivwechsel kann darüber hinaus überhaupt die Sicht auf die Welt so verändern, dass plötzlich das Wesentliche wieder zum Vorschein kommt. Es ist wie mit den berühmten Vexierbildern, die dem gewohnten Blick nur Gewohntes darbieten, doch der interessierten Aufmerksamkeit mit einem Mal eine unvermutete Schönheit enthüllen.
    Gibt es also etwas hinter Finanzkrise, Burnout bei Managern, neuen Medien und all den anderen tagtäglichen Dramen? Erhoffen wir uns das bloß, ersehnen wir uns das nur, oder gibt es das wirklich?
    Anstatt immer nur schicksalsergeben das zu tun, was »man« so tut im großen Welttheater, statt mitzulaufen bei Kampagnen gegen Mitläufer und dem ultimativen Ratgeber für oder gegen irgendetwas zu folgen, sollte man wenigstens ab und zu auf seinen eigenen Zugang zum Leben vertrauen.
    Wann waren Sie zum letzten Mal Sie selbst?
    Und wenn man auf diese Weise sein eigenes, unvergleichliches, existenzielles Leben entdeckt oder wiederentdeckt hat, kann es passieren, dass sich diesem wirklichen Leben in intensiven Momenten dann auch die nicht gefälschte, die wahre Welt enthüllt.
    Dann können wir unbefangen plötzlich am Grab eines geliebten Menschen der ursprünglichen Erfahrung der Menschheit trauen, dass mit dem Tod in Wirklichkeit nicht alles aus ist, eine Urerfahrung, die ja, wenn wir ehrlich sind, auch unser aller Erfahrung entspricht und die uns bloß durch die aufdringlichen Fälschungen, die uns beeinflussen, unrealistisch erscheint, obwohl es eigentlich nichts Realeres gibt als sie.
    Liebe, das erleben wir nicht nur am Grab eines geliebten Menschen, ist nicht bloß eine Idee. Erst das Bewusstsein der Unwiederholbarkeit jedes Moments angesichts des unvermeidlichen Todes gibt ihr den unverwechselbaren Geschmack von Wirklichkeit: Ich bin es, der liebt, jetzt im Augenblick, diesen einzigartigen Menschen. Nur so kann Liebe stattfinden, selbst wenn wahre Liebe in diesem zeitlichen Moment immer zugleich ein Erlebnis von Ewigkeit freisetzt, das die Zeit sprengt.
    Freilich wissen wir alle, dass Liebe nicht bloß jene romantische Liebe ist, über deren Glück die Literatur weniger zu berichten weiß als über ihr schmerzhaftes Scheitern am unerreichten Ideal. Die liebevolle existenzielle Begegnung zwischen Menschen kann im lächelnden Augenaufschlag geschehen, in der freundlichen Geste, im kurzen bewegenden Gespräch mit einem liebenswürdigen Menschen im Zug, den man in dieser Welt nie mehr wiedersehen wird. Das sind Momente, in denen man Ewigkeit ahnen kann und von denen das große Welttheater aus Wissenschaft, Psychologie, Medien-, Finanz- und Gesundheitswelt nichts weiß.
    Jedenfalls hat Liebe nichts zu tun mit der gefälschten Welt der Castingshows, bei denen Männer, die evolutionär auf große Brüste orientiert sind, sich von aufgepumpten gefälschten Schönheiten mit Silikon täuschen lassen und den scheiternden Begattungswunsch irrtümlich für Liebe halten. Echte Liebe erfährt man nicht durch künstlich trainiertes Lächeln und chirurgisch glattgezogene Haut, sondern durch den echten Blick in ein echtes Gesicht. So wie bei Philemon und Baucis vielleicht, die, wie die Griechen sich erzählten, sich so sehr liebten, dass es sogar die Götter rührte und Zeus ihnen gewährte, am gleichen Tag sterben zu dürfen, um den anderen nie vermissen zu müssen. So starben sie beide hochbetagt, mit runzeliger Haut, aber liebenswürdiger gewiss als irgendeine riskant zusammengeklempnerte Plastikschönheit.
    Der Mensch ist das Wesen, das sich selbst, sein Milieu, seine Welt
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