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Bluescreen

Bluescreen

Titel: Bluescreen
Autoren: Kevin Mark; Vennemann Greif
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Cosmopolitan , Glamour , Elle oder Vogue repräsentieren erotische Jugendlichkeit, allerdings nicht die sexualisierte Jugend im wörtlichen Sinn. Sie versorgen Alte genauso wie Junge mit Abkürzungen auf dem Weg zur ewigen Jugend: Wie hält sie ihre Haut jung, wie hält sie ihre Muskeln jung, wie hält sie ihr Denken jung, wie kann sie sich für immer jung fühlen, wie kann sie Vitalität andernorts abschöpfen, um sogar dann noch »jung« zu sein, wenn sie es im eigentlichen Sinne gar nicht mehr ist, und wie kann sie sich ihre Jugend zunutze machen, solange sie jung ist? Sie erfährt früh, was sie später verlieren wird, und sie gewöhnt sich daran, eben jenen Alterungsprozess zu verleugnen, an dem sie sich ohne die »Hilfe« solcher Magazine vielleicht gar nicht in diesem Ausmaß gestört hätte.
    Männermagazine fixieren das Begehren ihrer Leser angesichts der großen Bandbreite weiblicher Formen und Körper sowie der verschiedenen Modi der Verführung und Unterordnung. Dabei fragmentieren sie den Markt in Segmente für verschiedene Körperteile, sexuelle Praktiken, Grade der Explizität, aber auch Altersstufen. Für die Pornografie ist Jugendlichkeit von besonderer Bedeutung. In den »Girls of the Big Ten«-Bilderstrecken des Playboy ist das College-Girl eine zentrale Figur. Hustler führt in seinen Magazinen und Videos bis heute die gnadenlose Barely Legal- Sparte weiter, die von Just 18, Finally Legal und vielen weiteren Billigtiteln, die im kleinen Supermarkt um die Ecke unter der Ladentheke gehandelt werden, nachgeahmt werden. In der Halbwelt des Internets und der Onlinepornografie sind »Teenager« eine sogar noch zentralere Kategorie. Natürlich ist es in den Vereinigten Staaten hochgradig illegal, irgendjemanden unter achtzehn in sexuellen Posen zu fotografieren. Gemäßdem sogenannten Einwilligungsgesetz 2257 sind Pornoproduzenten dazu verpflichtet, öffentlich einsehbare Aufzeichnungen zu führen, um zu beweisen, dass alle Darstellerinnen achtzehn oder älter sind. Genau genommen, können »Teen«-Darstellerinnen also nur entweder achtzehn oder neunzehn sein, wenn sie dieses Alleinstellungsmerkmal wirklich aufweisen sollen; außerdem wirken ohnehin die wenigsten von ihnen in irgendeiner Weise sexuell unreif. Auf diesen Seiten geht es also gar nicht um Kinderpornografie. Stattdessen werden die vermeintlichen Teenager in exemplarischen Situationen als unreif inszeniert und, umgeben von den Symbolen des Studentinnenlebens, abgelichtet: im Klassenzimmer oder Wohnheim, im Kreise der anderen Cheerleader oder daheim bei den Eltern, beim Babysitten, beim ersten Job – niemals mit Ehemann, nie mit ihren Kindern, als Immobilienmaklerin, in der Vorstandsetage oder im Schalterraum einer Bank. Niemals im Leben einer Erwachsenen. 3
    Eine Gesellschaft, die sich entschieden hat, dass es illegal sein soll, Minderjährige auszubeuten, muss demnach gleichzeitig daran interessiert sein, Jugend zu simulieren. Sie instrumentalisiert dabei oft Menschen, die zwar sexuell reif sind, die Schwelle zum Erwachsenenalter aber eben erst überschritten haben. Sowohl in ihren seriöseren als auch in ihren sittenwidrigen Publikationen befördert sie einen allgemeinen, mit der Androhung von Sanktionen verbundenen Druck auf Frauen, die Phase der Jugendlichkeit auf das ganze Leben auszudehnen. Und sie ermuntert Männer, sich dieser Jugendlichkeit gierig zu bedienen.
    Während der junge Mensch noch nie alt gewesen ist, war der alte Mensch schon einmal jung. Blickt man in der Altershierarchie nach oben, sieht man Fremde; blickt man hinab, sieht man nichts als Varianten seiner selbst. Bei Erwachsenen hängt es allein vom eigenen Selbstentwurf ab, ob einem diese hinreißenden jüngeren Inkarnationen wie etwas vorkommen, das man längst hinter sich gelassen hat, oder ob man das Gefühl empfindet, es gebe einen allzu nahtlosen Übergang zwischen ihnen und der Person, die man heute ist. Welches Selbstbild man pflegt, hängt wiederum von den jeweiligen Haltungen einer Kultur zum Erwachsensein und zur Kindheit ab, zum Alter und zur Jugend. Genau hier fängt der Ärger an. Denn in einer Gesellschaft, in der Sex die erste wirkliche Erfahrung darstellt, ergibt es tatsächlich so etwas wie Sinn, zu jenem Alter zurückzukehren, in dem man mit Sex die allerersten Erfahrungen gesammelt hat; ein Alter, in dem man sich in der angeblich privilegiertesten Position für solche Erfahrungen befand. Und damit kommen wir endlich zum eigentlich entscheidenden
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