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Bluescreen

Bluescreen

Titel: Bluescreen
Autoren: Kevin Mark; Vennemann Greif
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an sich wird Sexappeal eingefordert, und wenn der Sex dann da ist, tritt er in Form romantischer Beziehungen auf. Wie zu erwarten stand, sind solche neuen sexuellen Aktivitäten nichts als ein Ersatz für die der jeweils letzten Generation. Wo Petting war, soll Fellatio werden.
    Es wird einfach niemals so sein, dass Kinder ihre Sexualität mit derselben freischwebenden Fantasie und Brutalität behandeln könnten wie Erwachsene die ihre, weil wir Erwachsenen – ganz anders als Kinder in der Schule – vollkommen atomisiert sind, was unseren Umgang mit anderen angeht. Wenn ich bei einem Blind Date etwas Scheußliches anstelle, werde ich die einzige Zeugin niemals wiedersehen müssen. Ein Kind tut etwas Scheußliches, und sein Date sitzt am nächsten Morgen neben ihm im Klassenzimmer. Die sexuellen Normen der Erwachsenenwelt strahlen auch auf jüngere Menschen aus, doch diese Normen können sich innerhalb geschlossener Institutionen nicht entfalten (obwohl Alarmisten sagen, dass sie gerade dort entstehen ). Die Kinder merken sich diese Normen jedoch, um sie so bald wie möglich umzusetzen. Sie sind die Nutznießer einer Kultur, die über ihr Fernsehprogramm, ihre Witze, über all ihr Gerede und ihre Werbung jederzeit deutlich macht, dass Sex zwar nicht unbedingt das Allerwichtigste ist, dass es sich dabei jedoch um jenes Element handelt, das auf gar keinen Fall fehlen darf, wenn irgendetwas Spaß machen soll. Kinder sind Schaulustige, sie sitzen still da, mit weit geöffneten Augen. Und sie wachsen im blauen Licht des Fernsehers heran.
    So viel zur angeblich freizügigen Wirklichkeit der Kindheit.
    Irgendwann blicken die aus dem vermeintlichen Paradies vertriebenen Erwachsenen zurück, verklären die Vergangenheit und täuschen sich gewaltig, wenn sie denken, die Kinder seien vollkommen frei, schließlich haben wir sie mit der Aussicht auf eine bessere Zukunft gehemmt. Dass wir uns selbst in einem Ausmaß fleischlichen Genüssen hingegeben haben, das alte Männer vor Neid beben lässt, tut nichts zur Sache. Wie wir früher gelebt haben, spielt keine Rolle. Es war unvermeidlich, dass wir irgendwann in wirklichen zwischenmenschlichen Beziehungen mit konkreten Menschen würden hängen bleiben; in einer Matrix bleierner Regeln und persönlicher Bindungen. Dass wir diejenigen, die nach uns kommen, um ihr vermeintlich viel besseres Sexualleben beneiden, gehört in unserer Phase der Moderne anscheinend einfach dazu. Philip Larkin:
     
    »Wenn ich so ein junges Pärchen sehe
    Und denke, daß er sie wohl fickt,
    sie ein Pessar trägt, die Pille nimmt,
    weiß ich, das ist das Paradies,
     
    von dem die Alten ein Leben lang geträumt –
    [. . .]
    Die Jungen sind auf der Rutschbahn
     
    in ein Glück ohne Ende. Ob damals
    jemand mich so ansah, vor vierzig Jahren,
    und dachte, so soll das Leben sein ;
    [. . .]
     
    [. . .] Er
    und seinesgleichen schlittern auf der langen Bahn hinunter ,
    frei wie die gottverdammten Vögel .[. . .]« 2
     
    Im Gedicht sind hohe Fenster und eisiges Blau Larkins Trost. In der Realität ist es eine riesige Pornosammlung.
    Die Schmuddelhefte und ihre vermeintlich seriösen Gegenstücke spielen in der Tat eine bedeutende Rolle im System der Sexkindheit. In Larkins Leben ging lyrisches Verlangen Hand in Hand mit den Erfüllungen, die die Pornografie bereithielt, und auf einer sehr viel banaleren Ebene stehen wir alle an dieser Weggabelung. Die umgangssprachlichen Ausdrücke »Männermagazin« und »Frauenmagazin« scheinen zunächst zwei ganz unterschiedliche Gattungen von Publikationen zu bezeichnen. »Frauenzeitschriften« haben den Charakter von Ratgebern: Wie stellt man sich als Frau zur Schau? Wie kann man Männern besonders gut zu Diensten sein? Inzwischen (aber vielleicht war das schon immer so) sind weitere Fragen dazugekommen: Mit welchen Tricks können Frauen Männern erotische und emotionale Befriedigung abluchsen, wie überlistet sie den Mann, während sie aus den Vorbereitungen für die Selbstdarstellung möglichst viel erotische und emotionale Befriedigung für sich selbst zieht? »Männermagazine« wiederum sind pornografisch: Sie bringen uns bei, wie man Frauen ansieht, wie man sie in Fantasien einbaut, wie man sie dominiert und ihre Gegenwart genießt – und wir lernen, in was man sich verwandelt, während man genau das tut.
    Wir haben es mit zwei unterschiedlichen Genres zu tun, die dennoch zum selben Kontinuum gehören. Ratgeber- und Modezeitschriften für Frauen wie
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