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Blood Shot

Blood Shot

Titel: Blood Shot
Autoren: Sara Paretsky
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Bett und umarmte sie. Die Knochen in der Strickjacke fühlten sich dünn und zerbrechlich an. Ein quälender Hustenanfall erschütterte ihren ganzen Körper. »Entschuldige. Zu viele verdammte Zigaretten geraucht. Das Fräulein hier versteckt sie vor mir, als ob sie mir jetzt noch schaden würden.«
    Caroline biß sich auf die Lippen und kam ans Bett. »Ich hab' dir deinen Kaffee gebracht, Ma. Vielleicht lenkt er dich von den Zigaretten ab.« »Ja, die eine Tasse. Verdammte Ärzte. Zuerst pumpen sie einen voller Scheiße, daß man nicht mehr weiß, ob man leben oder sterben will, und wenn sie einen zur Strecke gebracht haben, verbieten sie alles, was die Zeit schneller vergehen läßt. Ich sag' dir, Kleine, laß es nie soweit kommen.«
    Ich nahm Caroline die große Tasse ab und reichte sie Louisa. Ihre Hände zitterten, und sie preßte die Tasse gegen die Brust, um sie ruhig zu halten. Ich stand auf und setzte mich auf einen Stuhl neben dem Bett.
    »Möchtest du mit Vic ein bißchen allein sein, Ma?« fragte Caroline.
    »Ja, geh nur, Kind. Ich weiß, daß du noch Arbeit zu erledigen hast.«
    Nachdem Caroline draußen war, sagte ich: »Es tut mir wirklich leid, daß es dir so schlecht geht.«
    Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ach, was soll's. Ich will nicht mehr darüber nachdenken, und drüber reden muß ich oft genug mit den verdammten Ärzten. Über dich möcht' ich was hören. Ich lese alles, was über deine Fälle in den Zeitungen steht. Deine Mutter wäre wirklich stolz auf dich.«
    Ich mußte lachen. »Da bin ich mir nicht so sicher. Sie hat immer gehofft, ich würde Opernsängerin werden. Oder Staranwältin. Ich kann mir ihr Gesicht gut vorstellen, wenn sie sehen würde, wie ich lebe.«
    Louisa legte eine knochige Hand auf meinen Arm. »Das darfst du nicht denken, Victoria. Wirklich nicht. Du hast doch Gabriella gekannt -sie hätte einem Bettler ihr letztes Hemd gegeben. Erinnere dich dran, wie sie zu mir gehalten hat, als die Leute mir Eier und Scheiße an die Fenster geworfen haben. Vielleicht wollte sie, daß du besser lebst. So geht's mir zumindest mit Caroline. Mit ihrem Verstand, ihrer Ausbildung und so weiter hätte sie es besser erwischen können, als hier in diesem feuchten Loch rumzuhängen. Aber ich bin stolz auf sie. Sie ist ehrlich und arbeitet hart und setzt sich ein für das, woran sie glaubt. Und du bist genauso. Nein. Wenn Gabriella dich jetzt sehen würde, wäre sie stolz auf dich.«
    »Als sie krank war, hätten wir es ohne deine Hilfe nicht geschafft«, sagte ich und fühlte mich unbehaglich.
    »Ach, Scheiße, Kind. War meine einzige Möglichkeit, mich für all das zu revanchieren, was sie für mich getan hat. Ich seh' sie noch vor mir, als die rechtschaffenen Damen von St. Wenzeslaus bei mir anrückten. Gabriella kam dahergeschossen wie eine Furie, sie hätte sie beinahe in den verdammten Calumet geworfen.« Sie lachte heiser und wurde dann von einem erneuten Hustenanfall geschüttelt, der sie atemlos und hochrot im Gesicht zurückließ. »Kaum mehr vorstellbar, daß sich die Leute wegen einem schwangeren, unverheirateten Teenager so aufgeregt haben«, sagte sie, nachdem sie endlich wieder zu Atem gekommen war. »Hier in der Gegend ist die Hälfte der Leute arbeitslos - so ist das Leben, und der Tod. Damals hat so was das Ende bedeutet. Sogar für meine Eltern, die mich rausgeschmissen haben.« In ihrem Gesicht arbeitete es eine Weile. »Als ob es ausschließlich meine Schuld gewesen wäre. Deine Mutter war die einzige, die zu mir gehalten hat. Und obwohl meine Leute irgendwann zugaben, daß Caroline immerhin ein menschliches Wesen ist, haben sie ihr nie verziehen, daß sie geboren wurde, und mir, daß ich sie auf die Welt gebracht habe.«
    Gabriella machte nie halbe Sachen. Und ich half ihr mit dem Baby, damit Louisa nachts bei Xerxes arbeiten konnte. Am schlimmsten waren die Tage, an denen ich Caroline zu ihren Großeltern brachte. Zwanghaft und humorlos wie sie waren, ließen sie mich nur ins Haus, wenn ich die Schuhe auszog. Ein paarmal badeten sie Caroline sogar vor dem Haus, bevor sie sie in ihre heiligen Hallen ließen. Louisas Eltern waren erst in den Sechzigern - in dem Alter, in dem Gabriella und Tony jetzt wären, wenn sie noch lebten. Weil Louisa ein Kind hatte und allein lebte, rechnete ich sie immer zur Generation meiner Eltern, aber tatsächlich war sie nur fünf oder sechs Jahre älter als ich.
    »Wann hast du aufgehört zu arbeiten?« fragte ich sie. South
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