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Blondine ehrenhalber

Blondine ehrenhalber

Titel: Blondine ehrenhalber
Autoren: Valerie Frankel
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bemerkte Clarissa.
    Es folgte ein tadelndes Schweigen. Amanda betete, Clarissa hätte aus Unwissenheit gesprochen und nicht aus Gleichgültigkeit, denn für eine Greenfield war eine Kaffeebohne, obwohl so klein, keine unbedeutende Sache. Der Kaffee selbst, das flüssige Finale nach Jahrhunderten von Ernten und verschiedenen Witterungen, war heilig. Jeder Familienurlaub, zu dem sie aufgebrochen waren, hatte sie in ein Kaffee produzierendes Land am Äquator geführt. In ihrer frühesten Kindheitserinnerung sah sich Amanda auf den sonnenverbrannten Bergen von Guatemala von Frank durch die knorrigen Kaffeesträucher gejagt. Als Kind war ihre Lieblings-Gutenachtgeschichte die von Kaldi gewesen, einem alten abessinischen Ziegenhirten. Seine Herde hatte sich mit den roten Beeren der weiß blühenden Gebirgsbäume voll gefressen. Nach der Legende stellten sich die Ziegen, die mit Früchten und unwahrscheinlich viel Koffein voll gestopft waren, auf ihre Hinterfüße und tanzten um das arabische Weideland. Daraufhin kaute jeder arabische Ziegenhirte, der sich zudröhnen wollte, Kaffeebeeren. Die Schwestern hatten nie Schäfchen gezählt, sondern tanzende Ziegen. Und durch die Adern der Greenfields floss Kaffee. Frank war auf dem Gebiet ein Genie. Sie hatte das Zeug zu einer Feinschmeckerin, Amanda dagegen war eher eine fein ausgebildete Schlemmerin.
    »Kaffee ist Kaffee?«, platzte Frank heraus. Amanda fühlte, dass Frank angespannt war wie ein Gummiband vor dem Zerreißen. Sie wartete entsetzt auf den Knall.
    Clarissa erklärte: »Betrachtet mich als typische Verbraucherin. Ich bin wie jede andere Kundin. Kaffee dient der Koffeinzufuhr, und wenn er gut schmeckt, ist das umso besser. Ich denke, das Moonburst ist super. Der Kaffee schmeckt dort besser als im Maxwell House. Und das Folgers kann ihm nicht das Wasser reichen. Wenn ihr mehr Gäste hereinlocken wollt, müsst ihr euch auf Leute wie mich einstellen. Qualität ist eben nicht alles.«
    »Ist das deine persönliche Überzeugung oder befinden wir uns noch in einer Marketing-Übung?«, wollte Frank wissen.
    »Der Übung zuliebe sehe ich Kaffee so«, erklärte Clarissa. »Ein Getränk zu verehren finde ich recht preziös.«
    »So, und warum bist du dann überhaupt hier hereingekommen?« Frank klang verletzt und beleidigt zugleich.
    »Weil mir die Warteschlange nebenan zu lang war.«
    »Wir möchten dem Moonburst keine Konkurrenz machen.« Amanda versuchte, die Spannung zu lösen. »Wir wollen uns nur über Wasser halten.«
    »Um sich über Wasser zu halten, muss man konkurrenzfähig sein.« Clarissa stand auf. Sie begann, um den Tisch herumzulaufen. Amanda bemerkte, dass Clarissas Hose fachgerecht genau unterhalb des Knöchels gesäumt war.
    »Ihr sagt, die meisten eurer Gäste sind Frauen?«, fragte Clarissa und warf einen kurzen Blick auf die beiden Chefinnen. Blonde Haarsträhnen verfingen sich an ihrem Revers, als sie sich umblickte, und blieben widerspenstig hängen. Amanda war drauf und dran, ihr die Haare aus der Jacke zu streichen, aber sie hielt sich zurück. Für solche Gesten waren sie nicht vertraut genug.
    »Ist das wichtig?«, erkundigte sich Frank.
    »Schritt eins eines jeden Marketing-Plans ist die Bestimmung des Gästestamms. Ich könnte eine Umfrage durchführen, aber — ohne euch zu beleidigen — aufgrund der Zahl unserer Stichprobensammlung wäre das Ergebnis statistisch betrachtet nicht aussagekräftig. Richten wir uns besser nach unseren Eindrücken. Nun, ich würde sagen, so wie die Sache aussieht, besteht euer Gästestamm aus einsamen, allein stehenden Damen von Brooklyn Heights, die die Zeit totschlagen wollen. Und das tun sie, indem sie Kaffee trinken, Kuchen essen und ein reiches Phantasieleben führen.«
    »Hast du das alles aus diesen beiden Frauen abgeleitet?« Amanda deutete mit dem Kopf auf Lucy und die Leserin des Liebesromans. Sie hätte genauso gut Frank und mich meinen können, dachte sie.
    »Beobachtung ist alles im Marketing«, erklärte Clarissa. »Es geht um das Image, um die Idee. Hat man erst einmal herausgefunden, an welche Zielgruppe man etwas verkauft und was diese will, kann man in einem nächsten Schritt seine Marke platzieren. Homogene Produkte — wie zum Beispiel Kaffee — tragen bestimmte Markenzeichen. Man setzt auf etwas Bestimmtes. Woran denkt ihr beispielsweise, wenn ihr Ivory Soap hört?«
    »Kaffee ist nicht homogen«, widersprach Frank.
    »Ivory Soap ist rein«, antwortete
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