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Blondine ehrenhalber

Blondine ehrenhalber

Titel: Blondine ehrenhalber
Autoren: Valerie Frankel
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retten können.« Sie studierte die Pennys ernst und aufmerksam und kam zu dem Ergebnis: »Himmel über See.« Sie griff nach ihrem I-Ging-Handbuch unter der Theke. Mit dem Finger fuhr sie über eine laminierte Seite, bis sie auf dem 64-Felder-Gitter die richtige Stelle entdeckte. Sie las vor: »Jemand tritt dem Tiger auf den Schwanz, aber der Tiger beißt nicht.« Amanda sah zu Frank auf. In ihren Augen glänzte Hoffnung. »Es wird sich etwas ändern«, sagte sie. »Zum Besseren.«
    Klingeling. Die Türglocke des Cafés bimmelte und die beiden Chefinnen drehten sich um. Vor ihnen stand eine junge Frau — kaum älter als 23 Jahre — , gekleidet mit einer Röhrenhose und einem taillierten schwarzen Blazer, der so eng saß, dass nicht nur die Knöpfe, sondern auch die Augen der Betrachter beinahe heraussprangen. Ihr blondes Haar entsprach dank aufwendiger Prozedur und entsprechenden Stylingprodukten genau dem Gerade-erst-aufgestanden-Look. Sie ging direkt zur Theke und bestellte einen Tall Skinny Cap, einen kleinen Cappuccino mit Magermilch und Sahne.
    Amanda wusste, dass es keinen Cappuccino gab. Deshalb ging sie hinter die Theke und verkündete mit einem breiten Lächeln: »Ich sage immer, es geht nichts über eine schöne Tasse guten, alten, heißen Sumatra-Kaffee.«
    Das Mädchen mit der Röhrenhose runzelte die Stirn. »Ist die Cappuccino-Maschine etwa im Eimer?«
    »Eigentlich ist der ganze Laden im Eimer«, entgegnete Amanda ohne den geringsten Anflug von Scham. Das Mädchen gab sich mit einem frisch gebrühten Kaffee zufrieden und blickte sich um. Die einzige andere Kundin — abgesehen von Tante Lucy — las in einem Liebesroman und tunkte dazu einen Brownie in ihren Kaffee. Lucy hämmerte verzweifelt auf der Tastatur ihres PowerBooks herum. Gelegentlich legte sie eine Pause ein, um argwöhnisch über den Bildschirm hinweg in die Runde zu spähen.
    »Der Fußboden ist klasse«, bemerkte das Mädchen mit der Röhrenhose. »Venezianisches Parkett. Riesige Frontfenster. Antike Glasscheiben. Tresen aus Stahl — hygienisch und ästhetisch.« Sie streute Zimt über ihren Sumatra. Kein Kenner würde dergleichen mit einem würzigen indonesischen Kaffee tun, dachte Frank.
    »Gehört der Laden euch?«, erkundigte sich die Blondine. Frank nickte. Die Frau nickte ebenfalls. »Das ist wirklich ein toller Raum, aber das Geschäft scheint nicht so gut zu laufen. Kennt ihr euch mit Marketing aus? Public Rela-tions?«
    Frank und Amanda hatten schon genug Probleme mit ihren privaten »Relations«. Sie redeten drauf los, sprachen von Werbekampagnen für ihren Laden und über den Absatz. »Wir verteilen jeden Tag Flugblätter hier an der Ecke — Dutzende«, erklärte Frank, die gar nicht genau wusste, warum sie dieser Frau so viel über ihr Geschäft erzählte. Aber immerhin handelte es sich um einen richtigen Gast, eine Abwechslung im täglichen Allerlei. Ihre gezielten Fragen ließen sich ohne größere Mühe beantworten und Frank war von der Blondine fasziniert. Noch nie hatte sie bei einer so jungen Frau so viel Selbstsicherheit gesehen. Vielleicht rührte es ja von einem fremden Ort her — einer winzigen Welt, in der es höher gestellte menschliche Wesen gab, die intelligent und hübsch zugleich waren. Trotz ihrer instinktiven Eifersucht auf die blonde Frau fühlte Frank sich von ihrer Anwesenheit fast geschmeichelt.
    »Clarissa O’MacFlanahagan«, verkündete die Frau und streckte ihre rechte Hand aus. An drei Fingern blitzten goldene, mit Edelsteinen besetzte Ringe.
    Frank drückte ihr die Hand. Der Händedruck fühlte sich knöchern und trocken an, kühl von der Januarluft draußen, aber nicht kalt. Frank machte sich Gedanken, ob ihr eigener Händedruck nicht feucht und unangenehm gewesen war. »Francesca Greenfield, und das ist meine Schwester Amanda. Wir sind die Eigentümer.«
    »Kann ich euer Flugblatt einmal sehen?«, fragte Clarissa. Amanda nahm eine rote Kopie vom Stapel hinter der Kuchentheke. Frank hatte die Farbe selbst ausgesucht. Sie war der Meinung, Kirsch gäbe den Kick.
    »Gourmet-Kaffee und Kuchen«, las Clarissa. »Kommen Sie, um heißen Kaffee zu trinken, und bleiben Sie, um die Wärme zu genießen. Hm. Ganz nett. Aber Flugblätter... Ich weiß nicht. Das ist Soft-Werbung. Ihr braucht einen Appetizer. «
    »Was bedeutet das?«, fragte Amanda.
    Clarissa erklärte: »Ein Appetizer ist eine Marketing-Strategie. Eine Taktik, um die Gäste in das Geschäft zu zerren, als hätten sie Seile um die
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