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Blitze des Bösen

Blitze des Bösen

Titel: Blitze des Bösen
Autoren: John Saul
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nicht unterkriegen.
Ich muß die Angst überwinden, und das geht nur, wenn ich ihr
die Stirn biete. Fahren wir also aufs Dach.« Er trat zur Seite,
ließ die anderen zuerst den Käfig betreten und folgte ihnen
dann. Er schloß die Drahttür, drückte auf den obersten Knopf,
und der Apparat setzte sich sofort in Bewegung.
Als der Aufzug nach oben fuhr, spürte Glen, daß die Angst
aufs neue in ihm aufstieg. Wieder begann er zu schwitzen –
und dann ergriff die Panik schlimmer als vorher Besitz von
ihm. Es kam ihm vor, als würden sich Drähte um seinen
Brustkasten spannen und sich jede Sekunde enger zusammenziehen. So eng, daß er kaum noch atmen konnte.
Sein Herz hämmerte so stark wie noch nie.
3. Kapitel
    Das Gebäude, in dem Richard Kraven die letzten beiden Jahre
verbracht hatte, war ein schlichtes Rechteck aus Stahlbeton:
zehn Meter breit und 20 Meter lang. Seine dicken Mauern
ragten über die schmucklose Fassade des wesentlich größeren
Nebengebäudes in den riesigen Gefängnishof hinaus. Das Dach
war mit Metall verkleidet; lediglich die zweireihigen
Glasblöcke, durch die tagsüber ein wenig Sonnenlicht in die
Zellen drang, trugen ein wenig zur Auflockerung der
eintönigen Aussicht bei. Sie boten den Häftlingen allerdings
keine Sicht nach draußen.
    Das Innere der Zellen war ebenso trostlos wie das Äußere
des Gebäudes, und es machte dem Namen »Todeszelle« alle
Ehre. Es gab zwei Zellenreihen, sechs auf jeder Seite, die alle
etwa neun Quadratmeter maßen. Von ihnen aus blickte man auf
einen zwei Meter breiten Korridor. Obwohl die Einmannzellen
vorn und oben verriegelt waren, waren sie durch massive
Stahlwände voneinander getrennt. Selbst wenn die Gefangenen
miteinander reden wollten, sehen konnten sie sich nicht. Jede
Zelle war mit einem Bett, Stuhl, Tisch, einer Toilette und
einem Waschbecken ausgestattet. Sämtliche Zellen wurden von
grellen Leuchtstoffröhren erhellt, die in drei Reihen von der
hohen Decke herabhingen; eine befand sich über den
Zellenreihen, die anderen auf dem Flur. Sie überstrahlten das
bißchen Tageslicht, das durch die Glasblöcke drang, völlig und
leuchteten jede Ecke der Zellen aus. Somit saßen die
Gefangenen in einer grell ausgeleuchteten Umgebung, in der
ihnen kein Schatten Schutz bot.
    Die Zelle, in der Richard Kraven seit zwei Jahren lebte, war
die einzige, die belegt war. Die anderen standen leer; denn
Kraven war der erste Mensch, der seit fast vierzig Jahren in
Connecticut hingerichtet werden sollte. Vor seiner Verurteilung hatte man den Bau eigentlich abreißen wollen. Doch als
der Gefängnisdirektor, Wendell Rustin, informiert worden war,
daß Kraven ihm bis zum Prozeßende zur Sicherungsverwahrung unterstellt werden sollte, ließ er den Abbruch
aussetzen. Vor der Ankunft des Gefangenen hatte Rustin sogar
selbst eine Nacht in einer der Zellen verbracht. Als er sie am
nächsten Morgen wieder verließ, war er überzeugt davon, daß
die grausame Umgebung in einer solchen Zelle fast so
schrecklich war wie die Aussicht auf den Tod. Der Direktor
hatte während der acht einsamen Stunden, die er dort verbracht
hatte, ein Gefühl des Preisgegebenseins und der Verlorenheit
empfunden, das er wohl nicht noch länger ertragen hätte.
    Falls Richard Kraven in den beiden Jahren hier jemals etwas
Ähnliches verspürt haben sollte, hatte er sich das nicht
anmerken lassen, denn er hatte nie Beschwerden geäußert. Er
hatte das Warten genauso stoisch ertragen, wie er den ganzen
Prozeß über sich ergehen lassen hatte – ein Verhalten, das seine Wärter als arrogant, die Befürworter seiner Unschuld aber
als ehrenhaft empfanden und das sie in ihrer Meinung
bestärkte. Interviews hatte er ohnehin nur gegeben, um immer
wieder seine Unschuld zu beteuern.
    »Man kann mich zwar hinrichten«, hatte er immer wiederholt, »aber nicht bestrafen. Denn es ist unmöglich, einen
unschuldigen Menschen zu bestrafen.«
    Am heutigen Tag, dem Tag seiner Hinrichtung, saß Richard
Kraven wie immer ungerührt auf seinem Stuhl in der Zelle.
Auf seinem Schoß lag ein Buch über viktorianische Poesie, und
einem zufälligen Beobachter wäre dieser Morgen nicht anders
als jeder andere vorgekommen. Als das Rasseln der Gitter am
Ende des Flurs zu ihm drang, schloß Kraven sein Buch und sah
mit ausdruckslosem Gesicht hoch. Wegen seines durch die
Zellenwand beengten Gesichtskreises konnte er nichts
erkennen, wartete regungslos ab und starrte stur nach
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