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Blitze des Bösen

Blitze des Bösen

Titel: Blitze des Bösen
Autoren: John Saul
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überkam,
wenn er in einem gläsernen Aufzug nach oben fuhr und sah,
wie sich der Boden immer weiter entfernte, hatte er sogar stets
genossen.
Aber heute morgen spürte er einen unerklärlichen Widerwillen, nach Beendigung der Inspektion wieder in den Fahrstuhl zu steigen. Er redete sich ein, daß es nur eine ganz
normale Unsicherheit war, die sich einstellt, wenn man keinen
soliden Boden mehr zwischen sich und dem Abgrund hat.
Glen ignorierte die wachsende Furcht. Er wollte unbedingt
aufs Dach fahren, um dort selbst die Champagnerflasche zu
öffnen, die Alan Cline zur Feier des Richtfestes mitgebracht
hatte.
»Ein toller Blick, wenn man genau nach unten sieht.« Als
George Simmons, der Chefingenieur des Projekts, diese Worte
aussprach, mußte Glen sich zwingen, nicht automatisch durch
den Rost nach unten zu schauen. Denn nur das Gitter trennte
ihn vom zwanzig Stock tiefergelegenen Betonboden des
Schachtes.
»Bist du wirklich ganz okay?« erkundigte sich Alan Cline,
als der Aufzug ruckartig stoppte. Der Ingenieur stieg zusammen mit dem Vorarbeiter aus, und die beiden Architekten
blieben allein im Käfig zurück.
Hier oben war noch nicht einmal der Fußboden installiert.
Sie konnten sich nur auf einigen Holzbohlen bewegen, die als
äußerst fragwürdige Stege, wie Glen fand, über die riesigen TTräger führten. »Sind Sie ganz sicher, daß die Dinger halten?«
wandte er sich an Dover und kämpfte gegen die panische Angst
an, die ihn zu überwältigen drohte.
Dover grinste. Er war rotbäckig, 1,90 Meter groß und ein
Bär von einem Mann. Er hatte sich vom Gelegenheitsarbeiter
in einem Einmann-Betrieb zum Leiter eines der größten Bauunternehmen in Seattle hochgearbeitet. »Die werden schon
nicht unter Ihren Füßen zusammenbrechen«, witzelte er. Als er
aber Glens bleiches Gesicht sah, verschwand sein Lächeln:
»Sie sehen irgendwie krank aus, Glen.«
»Ich dachte zuerst, es ist eine Grippe«, antwortete Glen.
»Aber jetzt sieht es doch nach etwas anderem aus.« Mit einem
angestrengten Lächeln versuchte er, sein Unwohlsein zu verbergen. »Ein Hochbauarchitekt mit Höhenangst – das ist ja so,
als ob jemand, der unter Seekrankheit leidet, zur Marine geht.«
»Wollen Sie wieder nach unten?« bot Dover an. »Alan und
ich können die restliche Inspektion auch allein durchführen.«
»Danke, mir geht’s gut«, beteuerte Glen. Er wollte auf eine
der Planken steigen, die zu dem offenen Netzwerk der Stützbalken führten, aber als er sich der kleinen Plattform um den
Aufzugschacht näherte, ergriff ihn Panik. Mit den Fingern
klammerte er sich an einem der Hauptstützträger fest. Er fühlte
den unwiderstehlichen Drang, nach unten in die gähnende
Leere zu starren, aber er unterdrückte ihn und zwang sich, starr
nach vorn zu schauen, über die Straße zur Elliot Bay nach West
Seattle, bis Bainbridge Island und zur Halbinsel Olympia.
»Warten Sie ab, bis Sie alles von ganz oben sehen«, sagte
Dover, der Glen beobachtet hatte. »Wir haben hier die beste
Aussicht der ganzen Stadt. Aber jetzt bringen wir erst die
Inspektion hinter uns.«
Wie Glen mit Entsetzen verfolgte, betrat Jim Dover, gefolgt
von George Simmons und Alain Cline die Balken. Dover ging
flink voran, hielt sich nur ab und zu mit einer Hand an den
Streben fest, während er mit der anderen lässig auf die Besonderheiten der Konstruktion hinwies. Glens Magen drehte sich
fast um. Er schaffte es nur einige Schritte weit, bis er merkte,
daß die Höhenangst die Oberhand behalten würde. Sein
Entsetzen war zu groß, als daß er überhaupt einen Blick um
sich herum riskiert hätte. Mühsam schleppte er sich zur
Plattform beim Aufzug zurück. Seine Knie zitterten, als er sich
mit beiden Händen an dem Maschendrahtkäfig des Fahrstuhls
festklammerte und die lähmende Furcht zu beherrschen
versuchte. Er atmete langsam und tief durch, bis er spürte, daß
wieder ein wenig Kraft in seine Muskeln zurückkehrte.
Ein paar Minuten später hatten die Männer die Inspektion
des zwanzigsten Stocks abgeschlossen und kamen zum Aufzug
zurück. Alan Clien sah seinen Partner besorgt an. »Du bist
verrückt, Glen«, sagte er, als er die nackte Angst in seinem
Gesicht las. »Hier geht’s nur um ein Gebäude. Die Sache ist es
nicht wert, deshalb Todesängste auszustehen.«
»Mein Problem ist nur eine dumme Phobie«, preßte Glen
hervor. Als die anderen wieder bei ihm waren, faßte er neuen
Mut und sagte: »Davon laß ich mich aber
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