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Blitze des Bösen

Blitze des Bösen

Titel: Blitze des Bösen
Autoren: John Saul
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berechtigt hielten. Hätte er nochmals
darauf hingewiesen, daß diese Demonstration auf der anderen
Seite des Kontinents stattfand, hätte er doch nur wieder einen
von Heathers Aussprüchen wie »Recht und Unrecht haben
nichts mit Geographie zu tun« gehört. Manchmal fragte er sich,
ob es nicht einfacher wäre, wenn seine Tochter sich nur für
Musik interessierte. Andererseits aber hatten Anne und er sie
zu sozialem Bewußtsein erzogen, und tatsächlich war er selbst
auch gegen die Todesstrafe.
Außer in einigen ganz speziellen Fällen… Ted Bundy etwa
war so eine Ausnahme. Dessen Hinrichtung hatte Glen voll und
ganz befürwortet, denn er war sicher, daß Bundy immer wieder
töten würde.
Bei Richard Kraven war es genauso. Wie Ted Bundy hatte
auch er offensichtlich den Großteil seiner Verbrechen in Seattle
begangen, war schließlich auf der anderen Seite des Kontinents
festgenommen, angeklagt und verurteilt worden. Heute morgen
würde der Staat Connecticut auf dieselbe Weise das Land von
Kraven befreien, wie es Florida mit Bundy getan hatte. Glen
vermutete, daß Anne jetzt, wo er an diese beiden Verbrecher
dachte, an einem letzten Artikel über die seltsamen Parallelen
zwischen diesen beiden Mördern arbeitete.
Heather aber war noch zu jung, um sich ihre Ideale durch
solche Überlegungen erschüttern zu lassen, und Glen wollte
auch heute morgen nicht mit ihr darüber argumentieren. »Na
schön«, seufzte er, »aber tut mir einen Gefallen. Stellt Kaffeewasser auf, und macht mir einen Orangensaft. Ich bin in einer
halben Stunde wieder zurück.«
Kaum hatte er die Tür hinter sich geschlossen, starrten die
Kinder auch schon wieder auf den Schirm.
Als Glen einige Minuten später im Park auf die Jogger traf,
die dort wie immer ihre Runden drehten, überlegte er sich
Argumente, wie er seine Kinder davon überzeugen konnte, daß
es für sie wichtiger sei, zur Schule zu gehen, anstatt den ganzen
Tag vor dem Fernseher zu verbringen – auch wenn vielleicht
»Mom ins Bild kommt«. Natürlich würde sie das, denn einer
der Lokalsender Seattles hatte schon angekündigt, daß »die
kämpferische Journalistin Anne Jeffers vom Seattle Herald «
sofort nach der Hinrichtung interviewt werden würde.
Wenn er sich beeilte, wäre er mit der Inspektion des
Gebäudes rechtzeitig genug fertig, um sich im Büro die Übertragung anschauen zu können. Er erhöhte sein Tempo, beendete seine üblichen sechs Runden fünf Minuten schneller als
sonst und fühlte, wie gut ihm das Joggen getan hatte.
Als er eineinhalb Stunden später auf der Baustelle eintraf,
hatte sich sein Wohlgefühl verflüchtigt. Die sonderbare Leere,
die er beim Anblick des Gerüsts in der Magengrube verspürte,
führte er zunächst nur auf die Erregung vor dem endlich
bevorstehenden Richtfest zurück. Als er aber das Netzwerk aus
Balken, Streben und Trägern betrachtete, den offenen Käfig
des Fahrstuhls, der ins Nirgendwo zu führen schien, zogen sich
ihm sämtliche Magennerven zusammen, und er spürte, wie ihm
der kalte Schweiß ausbrach.
Hatte er sich vielleicht irgendeinen Bazillus eingefangen?
Aber vor einigen Minuten hatte er sich doch noch ganz wohl
gefühlt… Er beschloß, die seltsamen Reaktionen seines Körpers zu ignorieren, ging zum Erdgeschoß und unterhielt sich
mit dem leitenden Ingenieur und dem Vorarbeiter, während er
den Blick über das Gerüst wandern ließ. Obwohl sein Magen
rebellierte, als sie mit dem Aufzug in den fünften Stock fuhren,
konzentrierte er sich völlig auf die bevorstehende Arbeit. Auf
diese Weise gelang es ihm, den leichten Schwindelanfall zu
unterdrücken, der ihn überkam, als er sich dem jäh abfallenden
Ende des Fußbodens näherte, und feststellte, daß sich dort
keine Schutzgeländer befanden. »Sollte man hier nicht
wenigstens Warnbänder spannen?« fragte er den Ingenieur,
dabei redlich bemüht, die in ihm aufsteigende Panik zu
verbergen.
»Die wären den Arbeitern nur im Weg«, antwortete Jim
Dover. »Die würden sie gleich wieder wegreißen und auf die
Straße werfen.« Der Vorarbeiter sah Glen etwas unsicher an.
»Ist mit Ihnen alles in Ordnung? Sie sehen etwas blaß aus um
die Nase.«
»Keine Sorge«, wehrte Glen ab. Aber während sie die nächsten zwanzig Stockwerke hinauffuhren, wurde ihm plötzlich
klar, was wirklich mit ihm los war.
Höhenangst.
Aber wieso trat sie jetzt auf einmal auf? Er hatte nie zuvor
Probleme damit gehabt. Das Kribbeln, das ihn stets
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