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Blitz der Hengst des Sonnengottes

Blitz der Hengst des Sonnengottes

Titel: Blitz der Hengst des Sonnengottes
Autoren: Walter Farley
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genauso wie Henry verändert.
    Wer wußte, was er sich wirklich noch wünschte? Ausgenommen das, was er noch nicht hatte, was aber schon in seiner Reichweite zu sein schien, was er fast mit den Fingerspitzen berühren konnte. Was für ein Ziel war es denn eigentlich, hinter dem er herjagte? Er war ja schlimmer als Henry, denn der wußte es. Noch vor wenigen Jahren hatte Alec sich nur gewünscht, Rennen reiten zu dürfen. Und dann kam die große Chance, für ihn und für Henry, durch den Hengst Blitz. Aber das durfte doch nicht das einzige sein, was sie verband. Sie waren zwar noch Freunde, doch nicht so wie früher, und das lag daran, daß sie sich ständig in Geldnot befanden.
    Henry wollte natürlich keinen anderen Reiter haben, das wußte Alec. Nicht, daß er keinen bekommen hätte. Alle Jockeys im weiten Umkreis brannten darauf, für Henry zu reiten, denn er konnte genauso viel für einen Jockey wie für ein Pferd tun. »Du sammelst allmählich Erfahrungen als Rennreiter und wirst reifer«, hatte er zu Alec gesagt, »aber du hast noch einen langen Weg vor dir. Es ist schon großartig, daß du so früh so gut bist.« Und als er sah, wie enttäuscht Alec über diese Worte war, hatte es ihm leid getan, er hatte sich ärgerlich das Kinn gerieben und hinzugefügt: »Wenn du Blitz reitest, habe ich allerdings nichts an dir auszusetzen. Das ist was anderes. Ihr seid aufeinander eingespielt, als wärt ihr nur ein Wesen. Ich rede von den andern Pferden.«
    Alec wandte sich vom Fenster ab und ging an seinen Schreibtisch zurück. Er mochte nicht mehr daran denken. Er war todmüde und genauso wie Henry erschöpft und zerschlagen. Es tat gut, allein zu sein, einfach den Kopf auf den Tisch legen zu dürfen, die Augen zu schließen und nur an das Mädchen zu denken, das er liebte, und an das, was hätte sein können — oder vielleicht noch einmal sein würde.
    Als Alec versuchte, seine vom Rennen verkrampften Muskeln zu entspannen, herrschte außer seinen tiefen Atemzügen Stille im Zimmer. Seinen Körper zu kontrollieren fiel ihm nicht schwer. Es waren seine Gedanken, die mit ihm durchgingen. Er brauchte eben Pam!
    Jetzt sah er sie ganz genau vor sich. Jeder Zug ihres Gesichtes, jede Einzelheit lebte in seinem Gedächtnis. Aber nicht ihr goldenes Haar, ihre blauen Augen mit den langen Wimpern und ihre hohen Backenknochen zogen ihn so sehr zu ihr hin; auch nicht die zierlich geformten Ohren und die kleine Nase. Nein, nicht deshalb wünschte er sich, für alle Zeiten bei ihr zu sein. Ihr Lebenswille und die Freude, die sie ihm brachte, ihm und allen Menschen, mit denen sie in Berührung kam, und die Ehrlichkeit, mit der sie jedes Gefühl zur Schau trug, zogen ihn so sehr an. Sie hatte nichts zu verbergen und mußte nichts beweisen, denn sie sah immer nur einen Menschen, konnte nur einen Gedanken auf einmal denken. Und wenn sie von dem sprach, was sie bewegte, schien sie mit der ganzen Spontaneität und Aufregung eines Kindes nur ein Wort zu sagen: »Ich lebe!«
    Ihr Gesicht war so anders als seins, dachte Alec, anders als alle, die er kannte. Er trug eine Maske im Alltag, an den Arbeitstagen, und selbst wenn man ihn erschreckte, überraschte oder in Angst versetzte, sah man es ihm nicht an. Denn diese Maske verbarg sein wahres Ich, und nur so konnte er Tag für Tag seine Aufgaben erfüllen, gewissenhaft und ohne Gefühl zu zeigen.
    Alec hob den Kopf vom Schreibtisch. Pam mußte ihn so bald wie möglich wieder mit ihrem Zauber berühren, ihm ihre innere Sicherheit und Aufrichtigkeit vermitteln. Sie war zugleich sanft und robust, zugleich fröhlich und ernst. Und das brauchte er, um die vielen Belastungen zu ertragen, die ihn immer mehr bedrängten. Er öffnete die Schreibtischschublade und zog ein Bündel Briefe hervor, die er von Pam bekommen hatte. Dann nahm er den letzten aus dem Umschlag und las:

    18, Quai de Béthune
    Paris, Frankreich
    12. Dezember
    »Lieber Alec!
    Ich kann es kaum erwarten, Dich wiederzusehen. Ich liebe Dich und möchte immer bei Dir bleiben…«
    Alec hielt inne. Ob das bedeutete, daß sie bereit war zurückzukommen? Sie hatte nun fast zwei Monate in England und Frankreich als Pferdepflegerin gearbeitet. Vielleicht war sie es leid. Vielleicht würde sie mit ihm auf die »Farm der Hoffnung« zurückkehren.
    »... Ich bin in letzter Zeit so glücklich gewesen, daß ich fast aus der Haut fahre. Ich habe am Stadtrand von Paris in der nettesten Reitschule, die Du Dir vorstellen kannst, die Pferde gepflegt,
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