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Blitz der Hengst des Sonnengottes

Blitz der Hengst des Sonnengottes

Titel: Blitz der Hengst des Sonnengottes
Autoren: Walter Farley
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die hier Dressurunterricht bekommen. Ein Teil meines Lohnes ist natürlich für Reitstunden draufgegangen. O Alec, ich weiß ja, was es für Dich bedeutet, ein schnelles Rennpferd zu reiten, aber wußtest Du, daß es genausoviel Spaß machen kann, in einem verhaltenen rhythmischen Schritt zu reiten? Man nennt ihn Passage, und du verschmilzt dabei förmlich mit deinem Pferd. Es ist dasselbe Gefühl, als wenn Du Blitz reitest, nur muß das Pferd lange, hohe, abgemessene Schritte machen. Ich kann es kaum erwarten, daß Du es auch versuchst. Wir haben hier Hannoveraner, Trakehner, ja sogar Lipizzaner, und Du kannst sie alle reiten, wenn Du kommst...«
    Alec hielt wieder inne. Er hatte noch nie von Hannoveranern und Trakehnern gehört, wohl aber von den Lipizzanern der Spanischen Reitschule in Wien. Pams Liebe zu Pferden umfaßte alle Rassen und alle Reitstile vom Western bis zum englischen. Es gab auch nicht nur ein einziges Pferd für sie, wie für ihn Blitz. Sie war eine geborene Reiterin mit einem instinktiven Verständnis für die Pferdeseele.
    Und wie sie alle Pferde liebte, so liebte sie auch alle Menschen. Sie wollte eigentlich alles ausprobieren, alles kennenlernen und keine Minute ihres Lebens vergeuden. Jeder Augenblick, jeder Tag, jedes Pferd und jedes Gesicht barg für sie etwas Schönes. Wie würde sie sich aber dann mit nur einem Menschen zufriedengeben, mit nur einer Lebensweise, nur mit ihm? Er wußte, daß sie ihn genauso liebte wie er sie, aber würden sie jemals glücklich sein miteinander? Ja, vermutlich würden sie es, überlegte er sich, wenn er die Ehe nicht als gegenseitigen Besitzanspruch betrachtete; wenn er Pam immer als die vollkommen eigenständige Person anerkennen würde, die sie war, und immer Verständnis aufbrächte für ihre Liebe zu allem Lebendigen und für ihr Bedürfnis, sich zu entfalten. Ach, er zweifelte eigentlich nicht daran, daß er das schaffte. So wie Pam auf das Leben reagiert, mit Überschwang und Vertrauen in den Gefährten — das war es ja gerade, was sie für ihn noch liebenswerter machte.
    »... Ich habe mit drei Freunden einen kleinen Volkswagen gemietet. Damit fahren wir morgen zur Spanischen Reitschule in Wien, um eine Vorführung der Lipizzaner zu sehen. Wir werden nur eine Woche fort sein, und natürlich bin ich wieder da, wenn Du kommst. Wir haben vor, auf dem Weg nach Österreich den höchsten Alpenpaß zu überqueren, und ich denke, daß die Schönheit der schneebedeckten Berggipfel schon eine Reise wert ist. Hier in Paris schneit es, also wird es da oben ganz herrlich sein. Ich wünschte, Du wärst dabei, aber, lieber Alec, nun ist unser Wiedersehen ja nicht mehr fern, und dann wird es für immer sein. Unsere Geschichte hat keinen Anfang und kein Ende. Hab ’ ich Dich nicht immer liebgehabt? Werde ich es nicht immer tun?«
    Alec legte den Brief wieder in die Schublade zurück. Das Schwierigste am Verliebtsein war, dem anderen die Freiheit zu lassen, nachzugeben, sobald es nötig war. Man konnte niemanden besitzen. Aber Alec brauchte Pam sehr nötig, jetzt noch mehr denn je. Wie gern hätte er vergessen, daß man im Pferderennen möglichst siegen mußte, und daß es bitter war zu verlieren. Wie haßte er die Tatsache, daß in ihn vom geschäftlichen Standpunkt aus so viel Geld investiert worden war, damit er gewann.
    Er wußte, daß er unter der seelischen Belastung zusammenbrechen und unbrauchbar für die »Farm der Hoffnung« oder jemand anders werden würde, wenn er nicht Abstand gewinnen konnte. Nur Pam vermochte ihm zu helfen, sich von der Last zu befreien, die ihn erdrückte. Er brauchte ihre Lebensfreude und ihre Lebenslust.
    Alec verließ das Büro, um sein Pferd zu besuchen. Die vertrauten Gerüche von Heu, Urin und Pferdefutter stiegen ihm in die Nase, als er an den Boxen vorbeiging. Auch die Geräusche, die er so liebte, gehörten dazu. Feuerteufel wieherte leiste und trat eifrig an die Eisenstangen seiner Box, um Alecs Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Selbst nach kurzer Abwesenheit von der Farm beeindruckte seine Größe Alec immer wieder. Er war noch schwerer geworden und mit seiner massigen Brust und den mächtigen Schultern riesig, verglichen mit Blitz. Auch sein Kopf war gewaltig, größer als der seines Vaters, obwohl Nase und Maul fein geformt waren.
    Alec sprach leise zu ihm und streckte die Hand zwischen den Stäben hindurch, um den weißen, diamantförmigen Stern in der Mitte seiner Stirn zu streicheln. Nach einigen Minuten ging er
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