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Bleeding Violet - Niemals war Wahnsinn so verfuehrerisch

Titel: Bleeding Violet - Niemals war Wahnsinn so verfuehrerisch
Autoren: Dia Reeves
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gemacht wie die Pille, die ich am Fluss bekommen hatte: eine verführerische Flüssigkeit schwappte in der Kapsel. »Hast du die von Carmin?«
    »Ja. Einen Tag, nachdem du hier aufgekreuzt bist. Ich dachte, es wäre am besten.«
    »Was macht es?«
    »Rate mal.« Sie bohrte ihren Blick in meine Augen.
    Ich musste nicht raten. Ich war schließlich die Tochter meiner Mutter.
    »Ich sagte Carmin, dass ich etwas wollte, falls ich mich eines Tages einem schrecklichen Sterben gegenüber sehen sollte. Etwas, das mich schnell von meinen Qualen befreit.« Sie lächelte ironisch. »Ich kann nicht glauben, dass er auf den Scheiß reingefallen ist.«
    »Aber warum wolltest du dich denn umbringen?«
    »Wenn ich tot gewesen wäre, hättest du gehen müssen. Wenn du gegangen wärst, wärst du sicher gewesen. Ich wollte die Pille bestimmt schon zehn Mal nehmen. Ich hätte es tun sollen.« Sie fuhr mit ihren Nägeln über die mittlerweile graue Karte auf ihrem Arm. »Ich fühle mich so dreckig. Tut mir leid, dass du ausgerechnet bei einer Mutter wie mir gestrandet bist.« Ihre Augen waren feucht, aber sie weinte nicht. Sie war viel zu hart, um wirklich zu weinen.
    Anders als ich.
    »Ich bin nicht gestrandet, Momma«, sagte ich und schniefte wieder. »Ich weiß, dass du nicht perfekt bist. Ich bin es auch nicht. Deshalb hab ich solche Angst, zur Therapie zu gehen. Wenn du rausbekommst, wie durchgeknallt ich wirklich bin, lässt du mich vielleicht nicht mehr nach Hause kommen.«
    »Ich bin diejenige, die zur Therapie gehen sollte.«
    Sie betrachtete die Pille in ihrer Hand. »Du hast mich eine Puppe genannt, erinnerst du dich? Du hattest recht. Wenn ich Menschen in mein Leben lasse, übernehmen sie mich. Ich habe so ein großes Verlangen nach Nähe in mir, und wenn man Menschen braucht, dann verwenden sie es gegen einen. Deshalb bleibe ich allein.«
    »Es ist doch nicht schlimm, dass du Nähe suchst. Es macht dich menschlich. Und alles, was etwas wert ist, ist gleichzeitig gefährlich. Zum Beispiel kann ich nicht versprechen, dass ich deine Gefühle nicht verletzen oder dir nicht noch einmal eins überbraten werde. Das sind die Risiken, die man eingeht, wenn man mich zur Tochter hat. Aber ich werde dich nie eine Schlampe nennen. Oder aus dem Haus aussperren, wenn du über Nacht wegbleibst. Ich werde dich nicht zwingen, jemanden zu töten. Und ich werde dich immer lieben, ganz egal, was passiert.«
    Ich versuchte, ihre Hand zu nehmen. Die Hand mit der Pille, aber sie vermied meine Berührung und legte ihre Faust auf die Brust, als wäre ihr die Pille wichtiger als ich. Also griff ich nach ihrer Faust, hebelte ungeachtet ihrer Proteste die Pille raus und rannte aus dem Zimmer.
    Ich raste die Treppe hoch und erklärte Schwänin die Situation. Sie machte zustimmende Geräusche und pickte mit dem harten Schnabel nach der Pille in meiner Hand. Dann schluckte sie sie, damit Rosalee sie nicht mehr haben konnte.
    Als ich zurück in Rosalees Zimmer rannte, sah sie mich und Schwänin, die auf meinem Arm saß, erstaunt an. Ich staunte auch, aber nicht wegen ihr, sondern wegen Poppa. Er saß jetzt am Fußende ihres Betts und streichelte ihre Füße. »Hör auf!«, sagte ich.
    Poppa hörte schuldbewusst auf.
    »Hör du auf«, sagte Rosalee.
    »Du sprichst Finnisch?«, fragte ich, angenehm überrascht.
    »Ein bisschen. Du bist nicht die Einzige, die Finnisch spricht, so wie du auch nicht die Einzige bist, die sich einfach mal eben so umbringen will. Glaubst du, ich hab dir den Scheiß abgekauft, dass die Bürgermeisterin das Blut an die Wände geschmiert hat? Du warst das, stimmt’s?«
    Sie zog wieder ihre Osterinselnummer ab, aber ich ging nicht darauf ein. Sie musste nicht alles wissen, nicht, dass ich meine Handgelenke aufgeschlitzt hatte, nicht, dass sie von Poppas Geist heimgesucht wurde.
    »Das ist es ja gerade, Momma. Ich will mich nicht mehr umbringen. Ich will es nicht, Schwänin will es nicht, und sie will auch nicht, dass du es tust.«
    Mein Mantel am Fußende des Betts bewegte sich, und Schwänchen stieg aus seinen lila Falten auf. Die gerissene Kette klirrte, als es an meine Brust flog. Seine winzigen Klauen landeten auf den Rüschen meines Kleids, und es ruhte schließlich von seinen Flügeln umschlossen an meinem Herzen wie eine silberne Brosche. Ich lächelte Rosalee an, die fast schon ein idiotisches Gesicht vor Schreck machte. »Und Schwänchen will es auch nicht«, fügte ich hinzu.
    Ich kletterte zu Rosalee aufs Bett und stellte
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