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Blauwasserleben

Blauwasserleben

Titel: Blauwasserleben
Autoren: Heike Dorsch
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von einem SEK -Mann verdeckt, damit er mich nicht anstarren kann.
    Auf der Polizeistation in Taiohae wird Arihano sofort in eine
Zelle geführt. Sie hat ein Fenster, aber zur Seite hin, wo ich es nicht sehen
kann, eine weiße, schwere Tür, und sie wird mit zwei Schlössern verriegelt.
Seine Schuhe musste er ausziehen, sie stehen davor, und auch seine Tasche, die
er in der Hand hielt, hatte er dort abstellen müssen. Später frage ich die SEK -Männer, warum er Schuhe und Tasche nicht hat mit in
die Zelle nehmen dürfen. »Aus Sicherheitsgründen«, teilt man mir mit.
    Einer der lokalen Polizisten holt einen weißen Plastikteller und
eine Gabel aus demselben Material aus einem Schrank. Auf den Teller stellt er
eine Dose und legt ein paar trockene Kekse dazu. Das ist das Mittagessen von
Arihano. Wir anderen gehen zum Hafen, um dort etwas zu essen. Ich habe tatsächlich
Hunger und schaffe eine halbe Portion Poisson cru .
    Am Nachmittag verhört der Richter einige Dorfbewohner von Hakau’i,
während ich mit meiner Anwältin die wichtigsten Aussagen durchgehe. Wir sitzen
in einem Bungalow, der auf dem Polizeigelände in Taiohae steht. In ihm soll ich
auch übernachten. Der Chef des SEK und einer der
Gendarmen haben den Bungalow daneben bezogen. Unser Blick wandert aufs Meer
hinaus, die Türen sind sperrangelweit auf, und ein Tropenschauer bringt frische
Luft. Auf Fotos, die sie mir dann zeigt, kann ich einen kleinen Haufen
menschlicher Knochen erkennen. Mein Gehirn zieht keine Verbindungen zu Stefan.
Schon am Abend zuvor hatte ich von dem SEK -Chef
erfahren, dass man meine Schuhe gefunden hat. Seit Monaten hatte ich mich mit
der Frage »Wo sind meine Schuhe?« herumgequält, und nun konnte er mir eine
genaue Antwort geben. Sie lagen ein paar Meter voneinander entfernt, der SEK -Leiter vermochte sogar die GPS -Position
zu benennen. Während ich die Bilder von meinen Schuhen betrachte, habe ich das
Gefühl, dass sich langsam ein Kreis schließt, dass sich alle Puzzleteile nach
und nach fügen.
    Aber noch immer existiert kein Beweis, ob Stefan tatsächlich
erschossen wurde. Bis jetzt gibt es dazu nur Arihanos Wort.
    Dienstag, 24. April
    Um sechs Uhr morgens fahren zwei Speedboote zur
Hakatea-Bucht. In dem einen sitzen in kurzämeligen weißen Hemden der Richter
und der Staatsanwalt, der sich vor der Sonne mit einem Käppi und Sonnenbrille
schützt, meine Anwältin, die sehr leger gekleidet ist (schwarze Trainingshose,
schwarzes Shirt und beigefarbene Turnschuhe), Arihano Haitis Anwalt, Joseph und
ich. In dem anderen befinden sich die Polizisten und Arihano; die SEK -Männer tragen heute dunkle T-Shirts und Armeehosen im
Tarndress. Ich sehe ihn erst am Strand, bei der Ankunft seines Bootes; die
schwarzen Shorts enden weit über dem Knie, das schwarze Shirt hat keine Träger,
die Füße stecken in weißen Socken und die wieder in fast weißen
Plastiksandalen. Ich mache Fotos. Ich bin im Mindset von damals, hoch
konzentriert, mit Beruhigungstabletten vollgestopft und will nur eins: die
Wahrheit.
    Sinn dieser Rekonstruierung ist es, Fotos und Filme zu machen, über
das, was sich im Oktober 2011 hier abgespielt hat. Wo stand Arihano, als er
Stefan erschossen hat? Wohin hat er gezielt? Ein örtlicher Polizist wird
Stefans Rolle übernehmen, Arihano seinen eigenen Part.
    Er trägt wieder Handschellen, dazu im Taillenbereich einen
speziellen Gürtel, fast wie ein Klettergürtel. An diesem ist hinten eine Leine
befestigt, die wiederum mit dem Fuß verbunden ist; das Ende dieses blauen Seils
ist am Gürtel eines SEK -Mannes festgemacht. Flucht
ausgeschlossen. Unsere Blicke treffen sich, seine Augen sagen aber nichts. Ich
hatte gehofft, irgendeine Regung seinerseits wahrzunehmen, aber da ist nichts.
Aber auch ich empfinde nichts, jetzt, wo ich ihm gegenüberstehe.
    Der gesamte Trupp macht sich auf zur Feuerstelle. Es ist ein
Fußmarsch von fast vierzig Minuten. Es ist heiß, jedem rinnt der Schweiß nur so
herunter. Moskitos stechen uns, ein Anti-Moskito-Spray wird herumgereicht, die
Stimmung ist konzentriert. An der
Feuerstelle angelangt, warten wir auf den SEK -Chef, der als Letzter gegangen war. Er
holt die mögliche Mordwaffe aus dem Spezialkoffer, packt sie aus, checkt, ob
sie ungeladen ist. Anschließend reicht er sie dem Richter. Ich schaue Arihano
an, er verzieht keine Miene. Die Feuerstelle ist nicht so
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