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Blauwasserleben

Blauwasserleben

Titel: Blauwasserleben
Autoren: Heike Dorsch
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zu können. Je mehr
Menschen ich diese furchtbare, unfassbare Geschichte erzähle, desto realer wird
sie für mich. Ich schreibe unser Buch jetzt allein, denn wir haben unsere
Träume eigentlich immer verwirklicht, und ich weiß, dass Stefan dies
hundertprozentig unterstützt hätte.
    Nun breche ich erneut auf in einen neuen Lebensabschnitt. Zum
ersten Mal ohne Stefan, in eine Zukunft, von der ich noch nicht weiß, was ich
von ihr erwarten kann und was sie bringen wird. Zum ersten Mal habe ich keine
Pläne. Dieses Buch gibt mir Halt, und ich hoffe, dass es allen, die Stefan
kannten, Familie, Freunden, Bekannten, Geschäftkollegen, Logbuchlesern, und
auch denjenigen, die ihn nicht kannten, ermöglicht, an unseren Reisen
teilzuhaben und Stefan für immer als den besonderen Menschen in Erinnerung zu
behalten, der er war.
    Estenfeld bei Würzburg,
    im Juli 2012

Todesangst
    Ich habe ihn nicht kommen hören. Lautlos ist er in unserem
Beiboot vom Strand zu unserem Katamaran Baju gepaddelt.
    Â»Heike«, ruft er.
    Ich blicke mich um und sehe Arihano, den Mann, mit dem Stefan wenige
Stunden zuvor auf Ziegenjagd gegangen ist. Ich hätte mitgehen sollen, aber ich
war zu müde, wollte lieber auf der Baju bleiben. Yoga
machen. In Ruhe auf das Wasser schauen und baden gehen.
    Â»Was ist los? Wieso bist du hier?«, frage ich erstaunt in einer
Mischung aus Französisch und Englisch. Etwas ist nicht in Ordnung, das spüre
ich.
    Â»Stefan«, sagt Arihano.
    Â»Was ist mit Stefan?«
    Â»Verletzt … Unfall … Wald.«
    Der Marquesaner stößt jedes Wort einzeln auf Französisch heraus.
    In meinem Kopf entsteht sofort ein schreckliches Bild. Stefan liegt
irgendwo hilflos da draußen im Wald. Er blutet, er muss ins Krankenhaus – und
wir befinden uns am Ende der Welt.
    Â»Stefan muss in ein Hospital – willst du mir das sagen?« Verwirrt
schaue ich Arihano an.
    Er nickt: »Ich habe Stefan den Berg heruntergetragen, aber jetzt
müssen wir ihn gemeinsam ins Boot hieven.«
    Alles erscheint mir einleuchtend. Stefan muss in der Nähe des
Strands liegen, bis dahin hat Arihano es allein geschafft. Jetzt braucht er
meine Unterstützung. Ich denke nach: In Taiohae, der Hauptstadt von Nuku Hiva,
gibt es eine Klinik, gemeinsam werden wir es mit dem Boot dorthin schaffen.
    Ich muss Stefan helfen. Ich bin völlig auf den Mann konzentriert,
mit dem ich seit siebzehn Jahren zusammen bin. Seit dreieinhalb Jahren segeln
wir um die Welt. Seit einigen Wochen sind wir in Französisch-Polynesien, auf
der Marquesas-Insel Nuku Hiva. In der Südsee. Im Paradies. Eigentlich.
    Ich will wissen, wie es Stefan geht, und frage: »Ist er schwer
verletzt? Blutet er? Ist er gestürzt? Was ist überhaupt passiert?«
    Antworten auf meine Fragen erhalte ich nicht, was ich auf die
Sprachbarriere schiebe. In meinem Kopf läuft ein Notfallprogramm ab. Etwas
weiter von unserem Schiffentfernt liegt die Aquamante . Die Yacht gehört Daphne und Vries, einem
holländischen Paar, das Stefan und ich drei Monate zuvor auf den
Galapagosinseln kennengelernt hatten. Kurz überlege ich, ob ich sie um
Unterstützung bitten soll. Nein, ich verwerfe den Gedanken. Stefan befindet
sich am Strand, Arihano und ich schaffen das ohne die anderen. Ihnen alles zu
erklären hätte nur kostbare Minuten gekostet.
    Â»Ich hole eine Taschenlampe«, sage ich. Eigentlich sollte ich auch
Verbandszeug mitnehmen, aber es geht alles so schnell, dass ich den Gedanken,
kaum dass ich ihn gedacht habe, auch schon wieder vergesse.
    Â»Und zieh Schuhe an!« Schuhe? Wie kommt Arihano denn darauf? Sicher:
Bestimmt kann man besser am Strand einen Menschen tragen, wenn man Schuhe
anhat. Also streife ich mir rasch meine Crocs über.
    Ich steige zu Arihano ins Dinghi, lasse den Außenbordmotor herunter,
den Stefan hochgeklappt haben musste, als er das kleine Boot auf den Strand
zog. Dreimal ziehe ich am Starter, der Motor springt jedoch nicht an. Innerlich
verfluche ich Stefan, hoch und heilig hatte er mir versprochen, sich um den
Vergaser zu kümmern.
    Â»Du musst wieder paddeln«, sage ich zu Arihano. Eigentümlicherweise
beruhigt mich die Feststellung, dass der Motor nicht funktioniert. Arihano
hatte sich also nicht an unser Boot herangeschlichen.
    Der Mann sitzt ausdruckslos im Boot und rudert in einem
gleichmäßigen Rhythmus. Der Strand liegt im Dunkeln, doch im Mondschein
zeichnen
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