Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blauwasserleben

Blauwasserleben

Titel: Blauwasserleben
Autoren: Heike Dorsch
Vom Netzwerk:
zu
essen …«
    Stefan musste jedes Mal lachen, wenn er sah, wie ich morgens
elegante Nylonstrümpfe über meine Beine streifte, ein gut geschnittenes Kostüm
anzog und in meine Businessschuhe stieg. Die perfekt gestylte Marketingfrau
eben.
    Dabei war es bei ihm im Job nicht anders. Im Anzug nahm man ihm
sofort ab, dass er ein Powertyp war, ganz der erfolgreiche Geschäftsmann.
Keiner hätte erraten können, dass er schon damals vom Ausstieg träumte, wo er
doch die Karriereleiter gerade erst richtig hinaufzusteigen begann.
    Seinen Arbeitskollegen gegenüber hatte er jedoch nie einen Hehl
daraus gemacht, dass er einmal um die Welt segeln wollte. Doch diese winkten
dann ab: »Ach, wenn du erst auf den Geschmack kommst, viel Geld zu verdienen, und
ein tolles Haus und ein noch tolleres Auto hast, vergisst du schnell, dass du
einmal etwas anderes wolltest.« Doch da irrten sie.
    Â»Du weißt genau, dass ich am liebsten nur mit einem Rucksack
unterwegs bin. Das wird sich nicht ändern«, antwortete ich.
    Â»Sicher?«
    Â»Sicher.«
    Â»Dann sollten wir anfangen, ein paar Sachen in Angriff zu nehmen.«
    Â»Zum Beispiel?«
    Â»Wir können Deutsch, damit kommen wir bei einer Weltumsegelung aber
nicht weit. Wir beide sprechen Englisch, ich dazu Französisch. Aber unsere
Route wird lange Zeit durch Mittel- und Südamerika führen. Einer von uns müsste
Spanisch sprechen können.«
    Â»Du meinst, ich soll mich darum kümmern?«
    Â»Na ja, das wäre nicht die schlechteste Idee.«

    Mein Traineeprogramm in London war vorbei, und mein
Arbeitgeber schickte mich als Nächstes für kurze Zeit nach Essen. In
internationalen Projektteams bereiteten wir dort die Eröffnung von drei
Filialen vor. Das Unternehmen wollte in Deutschland eine Filialkette aufbauen,
und ich sollte eine Verkaufsfläche betreuen, »Store-Management« nannte man das
und meinte damit die Personalführung von zwanzig Leuten und das operative
Management des Ladens. Das war eine Menge Verantwortung für eine
Vierundzwanzigjährige, zumal viel Geld in die Eröffnungen der
Deutschlandgeschäfte gepumpt wurde.
    In den ersten drei Monaten wohnte ich in einem Hotel, denn es war
klar, dass Essen nur eine vorübergehende Station war. Stefan und ich führten in
dieser Zeit nicht nur eine Wochenendbeziehung, sondern auch eine Hotelliaison –
wie ein Paar, das sich nur heimlich treffen konnte.
    Â»Was ist denn das für eine Beziehung, die wir führen?«, fragte ich
Stefan eines Tages.
    Â»Eine Beziehung wie unser Leben. Immer auf der Überholspur!«,
entgegnete er.
    Stefan arbeitete inzwischen als selbstständiger Berater für
einen Elektrokonzern im niederländischen Eindhoven. Er mietete sich in der Nähe
des Unternehmens ein Haus, gemeinsam mit zwei anderen Mitarbeitern und nannte
es sein »Big-Brother-House«. Damals, 1998, wurde im Fernsehen zum ersten Mal
die Realityshow Big Brother ausgestrahlt, in der
Menschen für mehrere Monate in einem Gebäude zusammenlebten, Wettbewerbe und
Spiele veranstalteten, bis einer nach dem anderen aus der WG ausschied – in der Sendung wurden die Regeln von der Produktionsfirma vorgegeben,
bei Stefan war es ein globaler Konzern, der seine Leute immer wieder in die
Welt hinausschickte, um bestimmte Aufgaben zu lösen.
    Aus meinem einjährigen Traineeprogramm wurde schließlich eine drei
Jahre währende Tätigkeit, am Ende arbeitete ich als Einkäuferin in Köln. Stefan
hatte unterdessen gemeinsam mit einem befreundeten Kollegen ein Projekt
konzipiert, das von seinem Arbeitgeber genehmigt wurde und ihn nach Barcelona
verschlagen sollte, wo er – anders als gewöhnlich – vor Ort arbeiten würde.
    Ich war auf Anhieb begeistert von der Idee, ihm nach Barcelona zu
folgen. Auf diesem Wege würde ich endlich auch richtig Spanisch lernen können,
wie wir es als Vorbereitung für unsere Weltumsegelung geplant hatten.

    Bevor wir nach Barcelona aufbrachen, mieteten wir einen
Katamaran für unsere erste gemeinsame Segeltour in Südfrankreich, zusammen mit
sechs Freunden. Es war das erste Mal, dass ich hinter dem Steuer eines Schiffs
stand.
    Schnell zeigte sich, dass eine Woche Segeln für mich war wie drei
Wochen Urlaub. Unglaublich, was das Meer für einen Erholungsfaktor hatte.
Vielleicht lag es auch daran, dass man den ganzen Tag draußen war, den ganzen
Tag nichts tun
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher