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Blauwasserleben

Blauwasserleben

Titel: Blauwasserleben
Autoren: Heike Dorsch
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Zimmer, seines hätte einer Generalüberholung bedurft –,
Kerzen waren aufgestellt, und es gab einen Tortelliniauflauf nach dem Rezept
seines Freundes Udo. Nach dem Essen landeten wir auf dem Bett, angekleidet,
eine Couch gab es in unseren Zimmern nicht, und die ganze Nacht erzählte Stefan
davon, wie er eines Tages um die Welt segeln würde. Schon als kleiner Junge
habe er von nichts anderem geträumt.
    Â Â»Bist du nicht in Heidelberg
zur Welt gekommen?«, fragte ich nach. »Das liegt ja nicht gerade am Meer.«
    Â»Stimmt, aber alle Ferien verbrachte ich als Kind auf einem Boot.
Katamarane zu bauen und zu segeln ist die große Leidenschaft meines Vaters. Als
meine Eltern dann in den Norden zogen, konnten wir endlich auch am Wochenende
ans Meer. «
    Â»Und dein Vater hat dir beigebracht, wie man ein solches Schiff
steuert?« Ich stützte meinen Kopf auf meine Hand, um Stefans Gesicht besser
beobachten zu können.
    Â»Ja, und wie man Wind und Wetter richtig einschätzt. Obwohl die
Ostsee natürlich nicht zu vergleichen ist mit dem Atlantik oder dem Pazifik.
Sie ist dagegen nur eine große Badewanne. Aber hey, könntest du dir eigentlich
auch vorstellen, die Welt zu umsegeln?«
    Â»Mmmh«, sagte ich nach einer Weile. »Ich hab immer mal wieder daran
gedacht, eines Tages auszuwandern, zum Beispiel nach Neuseeland, um als
Schafzüchterin zu arbeiten. Aber eine Weltumsegelung, warum eigentlich nicht?«
    Mit diesen Worten begann unser Traum von einer gemeinsamen
Weltumsegelung, den wir immer farbiger ausmalten, noch bevor wir uns das erste
Mal geküsst hatten.
    Eines Abends saßen wir mal wieder zusammen in meinem
Studentenzimmer. Ich hatte Glühwein zubereitet und Schokoladenkekse auf einem
Teller ausgebreitet. Vor uns lag »der Kotler«, das Marketing-Grundlagenbuch
eines amerikanischen Wirtschaftswissenschaftlers. Eigentlich wollten wir
gemeinsam büffeln, aber Stefan schweifte ab und begann vom Meer zu erzählen,
von der Gischt auf der Haut beim Segeln, wie es sei, den Wind zu fühlen und
unter vollen Segeln über die Wellen zu gleiten. Sein Gesicht hatte einen ganz
anderen Ausdruck angenommen. Er sah aus, als sei er völlig im Einklang mit sich
selbst.

    Stefan redete vom Fischefangen und davon, wie wunderbar es
sei, ganz einfach zu leben, sich von den Früchten der Ozeane zu ernähren.
Plötzlich hielt er inne: »Du kommst doch mit, oder?«
    Â»Sicher«, antwortete ich. »Hauptsache, es ist nicht kalt, wo wir
hinsegeln.«
    Â»Nein, im Gegenteil, wir werden auf der Barfußroute unterwegs sein!«
    Â»Barfußroute?«
    Â»Es wird immer so warm sein, dass man keine Schuhe braucht.«
    Â»Du machst Witze?«
    Â»Nein. Schau in Seglerbüchern nach, wenn du mir nicht glaubst. Die
Barfußroute führt zu einem großen Teil durch tropische Gebiete. Du kannst dort
auch die ganze Zeit im Bikini herumlaufen.«
    Â»Schöne Vorstellung.«
    Â»Finde ich auch!«
    Nun war Stefan in seinem Element. Er nahm ein Blatt Papier, auf dem
wir eigentlich unsere Marketinglektionen aufzeichnen wollten, und fing an, die ITC , die Innertropische Konvergenzzone, aufzumalen. Ich
bekam an diesem Abend meine erste private Vorlesung zum Thema Passatwinde – und
alle Marketingstrategien waren für die nächsten Stunden vergessen.

    Kurz vor Weihnachten war für mich das Studium in Schweden
vorbei. Das Semester endete zwar erst im Januar, aber ich musste in Coburg zwei
wichtige Prüfungen absolvieren. Bei unserem Abschied waren Stefan und ich
traurig. Wir wussten nicht, ob und wie genau es mit uns weitergehen würde.
Stefan wollte in Wedel studieren, ich plante, im März 1995 für ein halbes Jahr
nach Amerika zu gehen, um in Washington bei einem großen deutschen Mischkonzern
ein Praktikum zu machen. Es war schon alles organisiert, sogar eine Bleibe
hatte ich für die sechs Monate gefunden. Ich war mir nicht sicher, ob unsere
junge Liebe die Entfernung überstehen würde. Bis ich an einem Januarmorgen in
Estenfeld einen DIN-A 4-Umschlag in meinem
Briefkasten entdeckte. An der Handschrift erkannte ich, er war von Stefan. Ich
rannte in mein Zimmer, um alleine mit dem Kuvert zu sein. Es war der erste
Brief von Stefan. Mein Herz klopfte wie wild, als ich ihn öffnete. Langsam und
vorsichtig zog ich ein großes Foto hervor. Es zeigte Stefan, der, Oberkörper
frei und die Hände über den Kopf
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