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Blauer Montag

Blauer Montag

Titel: Blauer Montag
Autoren: N French
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Polizeibeamte ein schlankes, dunkelhaariges Mädchen ganz still in dem kleinen Garten stehen, die Arme dicht am Körper, die Schultasche noch über der Schulter. Deborah Vine starrte ihn an. Er wartete auf ihre Antwort.
    »Ich weiß es nicht genau«, sagte sie schließlich, »gegen vier. Auf dem Heimweg von der Schule, Audley Road Primary. Normalerweise hätte ich sie selbst abgeholt, aber es ist so schwierig,
von der Arbeit rechtzeitig hinzukommen, außerdem war sie mit Rosie unterwegs, und es sind keine Straßen zu überqueren, deswegen dachte ich, es könnte nichts passieren. Andere Mütter lassen ihre Kinder ganz allein nach Hause gehen, schließlich müssen sie es ja lernen, nicht wahr, sie müssen lernen, auf sich selbst aufzupassen, und Rosie hat versprochen, ein Auge auf sie zu haben.«
    Während sie keuchend nach Luft rang, notierte er etwas in seinem Buch. Dann fragte er sie noch einmal nach Joannas genauem Alter. Fünf Jahre und drei Monate. Wo sie zuletzt gesehen worden sei. Vor dem Süßwarenladen. An den Namen des Ladens erinnerte Deborah sich nicht, erklärte jedoch, sie könne die Polizei hinführen.
    Der Beamte klappte sein Notizbuch zu. »Wahrscheinlich ist sie bei einer Freundin«, mutmaßte er, »aber vielleicht hätten Sie trotzdem ein Foto? Ein aktuelles.«
    »Sie ist klein für ihr Alter«, antwortete Deborah. Sie bekam die Worte kaum heraus. Der Beamte musste sich vorbeugen, um sie zu verstehen. »Ein mageres kleines Ding. Sie ist ein braves Mädchen. Schrecklich schüchtern, wenn man sie das erste Mal trifft. Sie würde niemals mit einem Fremden mitgehen.«
    »Ein Foto«, wiederholte er.
    Während sie sich auf die Suche machte, betrachtete der Beamte wieder das Mädchen im Garten. Ihr blasses Gesicht wirkte ausdruckslos. Er würde mit ihr sprechen müssen. Vielleicht konnte einer seiner Kollegen das übernehmen. Am besten eine Frau. Aber womöglich tauchte Joanna ja wieder auf, bevor das nötig wurde. Kam einfach ins Haus gestürmt. Vermutlich war sie mit einer Freundin davonmarschiert und spielte gerade, mit was auch immer fünfjährige Mädchen so spielen – Puppen oder Malkreiden oder Teegeschirr oder Prinzessinnenkrönchen. Er starrte auf das Foto, das Deborah Vine ihm reichte. Es zeigte ein Mädchen, das wie seine Schwester dunkles Haar und ein schmales Gesicht hatte. Ein Mädchen mit einem abgebrochenen
Zahn, einem strengen Pony und einem Lächeln, das aussah, als hätte sie pflichtbewusst die Mundwinkel hochgezogen, als der Fotograf sie aufforderte, »Cheese« zu sagen.
    »Haben Sie Ihren Mann erreicht?«
    Sie verzog das Gesicht.
    »Richard – mein… besser gesagt, der Vater der Mädchen – lebt nicht bei uns.« Dann, als müssten die Worte einfach noch heraus, fügte sie hinzu: »Er hat uns wegen einer Jüngeren verlassen.«
    »Sie sollten ihn verständigen.«
    »Demnach glauben Sie also, dass etwas wirklich Schlimmes passiert ist?« Natürlich wünschte sie, er würde Nein sagen. Sie wollte von ihm hören, dass es im Grunde gar nicht nötig war, den Vater zu verständigen. Dabei rechnete sie ja selbst mit etwas Schlimmem. Nicht umsonst war ihr vor lauter Angst der kalte Schweiß ausgebrochen. Der Polizist konnte ihre Angst fast riechen.
    »Wir bleiben in Kontakt. Eine Kollegin ist bereits auf dem Weg hierher.«
    »Was soll ich tun? Es muss doch etwas geben, das ich tun kann. Ich kann nicht einfach hier herumsitzen und warten. Sagen Sie mir, was ich tun kann. Irgendwas.«
    »Sie könnten bei ihren Freundinnen anrufen«, schlug er vor. »Überall dort nachfragen, wo sie vielleicht hingegangen sein könnte.«
    Sie hielt ihn am Ärmel fest. »Sagen Sie mir, dass alles wieder gut wird!«, beschwor sie ihn. »Sagen Sie mir, dass Sie sie finden werden!«
    Verlegen wandte der Beamte den Blick ab. Er konnte ihr das nicht versprechen und wusste auch nicht, was er ihr sonst sagen sollte.
     
    Jedes Mal, wenn das Telefon klingelte, wurde es ein bisschen schlimmer. Leute klopften an die Tür. Sie hatten davon gehört.
Was für eine schreckliche Sache, aber natürlich werde es gut ausgehen. Alles werde wieder gut werden, der Albtraum ein Ende haben. Konnten sie irgendetwas tun? Was es auch sei, sie bräuchten es nur zu sagen. Ein Wort genüge.
    Nun stand die Sonne bereits tief am Himmel, und lange Schatten fielen über Straßen, Häuser und Parks. Es wurde allmählich kühl. In ganz London saßen die Leute vor dem Fernseher oder standen am Herd und rührten in ihren Töpfen oder scharten
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