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Blauer Montag

Blauer Montag

Titel: Blauer Montag
Autoren: N French
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wirkte plötzlich sehr feindselig.
    »Sie haben vielleicht Nerven!«, stellte sie fest.
    »Ich dachte, wir sollten uns von Angesicht zu Angesicht unterhalten.«
    »Warum werden Sie nicht mehr befragt? Sie waren doch erst ganz kurz da drin.«
    »Ich möchte Sie etwas fragen.«
    »Was denn?«
    »Alan war mein Patient. Warum kommt die Beschwerde von Ihnen, und nicht von ihm selbst?«
    Carrie starrte sie verblüfft an.
    »Wissen Sie das denn nicht?«

    »Was?«
    »Sie haben wirklich keine Ahnung? Sie haben sich in unser Leben eingemischt. Sie haben Alan eingeredet, er könne sich bei Ihnen sicher fühlen und Ihnen vertrauen. Sie haben zu ihm gesagt, er brauche sich seiner Gefühle nicht zu schämen. Sie haben ihm einen Freibrief gegeben.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Ich wollte doch nur, dass er wieder gesund wird.« Für einen Moment wackelte ihre Stimme. »Er war krank, und ich wollte, dass es ihm wieder besser geht. Sie sollten ihn nur heilen. Ist es das, was Sie unter Heilung verstehen? Man findet sich selbst und verlässt seine Frau.«
    »Wie bitte?«
    »Sie haben ihn verändert.«
    »Moment mal, Carrie. Wollen Sie damit sagen, Alan hat Sie verlassen?«
    »Wussten Sie das nicht?«
    »Nein. Ich habe Alan weder gesehen noch gesprochen, seit sein Bruder vorigen Dezember tot aufgefunden wurde.«
    »Tja. Dann wissen Sie es jetzt.«
    »Wann hat er Sie verlassen?«
    »Wann?« Carrie hob den Kopf und sah Frieda in die Augen. »Am Weihnachtstag, wenn Sie es genau wissen wollen.«
    »Das ist hart«, sagte Frieda leise. Allmählich begriff sie, warum Carrie sich beschwert hatte. »Dann ist es ja erst einen guten Monat her.«
    »Nicht dieses Weihnachten. Letztes Jahr.«
    »Oh.« Mehr brachte Frieda nicht heraus. Einen Moment lang schien der Raum um sie herum seine feste Form zu verlieren. »Sie meinen, kurz nach dem Selbstmord seines Bruders?«
    »Als hätte er nur darauf gewartet. Sie wussten wirklich nicht Bescheid? Ich dachte, er hätte mit Ihnen darüber gesprochen. Ich dachte, Sie hätten ihn dazu ermutigt .«
    »Warum ist er gegangen?«

    »Weil er sich besser fühlte. Er brauchte mich nicht mehr. Vorher hat er mich immer gebraucht. Ich habe mich um ihn gekümmert. Aber nachdem Sie ihn in die Finger bekommen hatten, war er nicht mehr derselbe.«
    »Hat er das so gesagt?«
    »Nicht mit genau diesen Worten. Aber er hat sich so verhalten. Nach Deans Selbstmord war er ein paar Tage lang … ich kann es gar nicht beschreiben. Er war fröhlich, voller Energie, entschlossen. Es waren die besten Tage meines Lebens. Genau das hat es für mich ja so hart gemacht. Ich dachte, alles wäre gut. Ich hatte so lange solche Angst um ihn gehabt, und plötzlich war er wieder da, der alte Alan. Oder besser gesagt, ein neuer Alan. Er war so … so liebevoll. Ich war richtig glücklich.«
    Mit einem zornigen Schnauben wandte sie den Kopf, damit Frieda die Tränen in ihren Augen nicht sah.
    »Er muss doch irgendeine Erklärung abgegeben haben.«
    »Nein, er hat nur gesagt, es sei gut gewesen, aber nun sei es vorbei. Wenn ich daran denke, was ich alles für ihn aufgegeben habe – wie ich mich um ihn gekümmert und dafür gesorgt habe, dass er sich in seiner Welt sicher fühlen konnte. Ich habe ihn geliebt und war mir sicher, dass er mich auch liebte. Was auch passierten würde, wir hatten einander. Dann ist er einfach gegangen, ohne auch nur einen Blick zurückzuwerfen – und was ist mir jetzt noch geblieben? Er hat mir alles genommen: meine Liebe, mein Vertrauen, meine gebärfähigen Jahre. Das verzeihe ich Ihnen nie. Nie.«
    Frieda nickte. Ihre Wut auf Carrie war längst verraucht.
    »Wissen Sie, Alan hat ein schreckliches Trauma durchgemacht«, erklärte sie. »Vielleicht musste er einfach für eine Weile raus aus seinem alten Leben, weil er es nach dieser ganzen Sache nicht mehr ertragen konnte. Deswegen ist er davor weggerannt, aber das bedeutet ja nicht, dass das auf Dauer so bleiben wird. Das Wichtigste ist, dass Sie den Kontakt zu ihm nicht verlieren und die Türen offen halten.«

    »Und wie soll ich das anstellen?«
    »Spricht er denn nicht mit Ihnen?«
    »Er ist weg. Spurlos verschwunden.«
    Frieda war plötzlich kalt, obwohl der Heizkörper neben ihr Hitze verströmte.
    »Wollen Sie damit sagen, dass Sie nicht einmal wissen, wo er sich aufhält?«
    »Ich habe keine Ahnung.«
    »Er hat Ihnen keine Adresse hinterlassen?«
    Er hat nur ein paar Klamotten und die Werkzeugtasche mitgenommen, die sein psychopathischer Bruder ihm kurz
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