Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blauer Montag

Blauer Montag

Titel: Blauer Montag
Autoren: N French
Vom Netzwerk:
überhaupt?«, fragte Yvette.
    Muster klappte sein Notizbuch zu.
    »Ich glaube, dorthin stecken sie die Leute, mit denen sie nichts anderes mehr anzufangen wissen.«
    »Wem gehört das Haus?«, erkundigte sich Karlsson. »Vielleicht ist der Tote ja tatsächlich der Hausherr.«
    »Nein, es gehört einer Frau«, informierte ihn Munster. »Sie lebt in Spanien. Ich werde sie anrufen und überprüfen, ob sie sich wirklich dort aufhält. Sie besitzt mehrere Häuser und lässt sie von einer Agentur verwalten. Die Details bekomme ich noch.«
    »Wo sind die Bewohner jetzt?«
    Munster nickte zu Yvette hinüber.
    »Michelle Doyce ist wieder in der Klinik«, erklärte sie. »Die anderen sind noch vor Ort, soviel ich weiß.«
    »Vor Ort?«, wiederholte Karlsson entgeistert. »Es handelt sich um einen Tatort!«
    »Nicht im strengen Sinn. Wenn uns die Autopsie nicht eines Besseren belehrt, haben wir es unter Umständen nur mit einer kleinen Unterlassung zu tun – einem nicht gemeldeten Todesfall –, und ich glaube kaum, dass irgendein Gericht Michelle Doyce deswegen belangen wird. Was die anderen betrifft, wo sollen
sie denn hin? Wir haben schon mehrere Male im Sozialamt angerufen, bekommen aber nicht mal jemanden an die Strippe, der bereit ist, mit uns über die Angelegenheit zu sprechen.«
    »Ist es den Verantwortlichen denn egal, dass eines ihrer Heime unter Umständen als Drogenumschlagplatz missbraucht wird?«, fragte Karlsson.
    Es folgte eine Pause.
    »Tja«, meinte Yvette. »Mal angenommen, es gelänge uns, im Sozialamt einen Ansprechpartner zu finden und vor Ort zu zitieren, dann würde uns die betreffende Person vermutlich nur darüber belehren, dass es, sollte dort tatsächlich ein Verbrechen geschehen sein, unsere Aufgabe ist zu ermitteln. Was wir vermutlich aber nicht tun werden.«
    »Alles, was wir haben«, fasste Karlsson zusammen, »ist demnach eine Frau, die in ihrer Wohnung einen vermeintlichen Gast mit Tee und Gebäck bewirtet, bei dem es sich um einen bisher nicht identifizierten, nackten und bereits verwesenden Mann handelt, dessen einzig auffallendes Merkmal das fehlende Fingerglied an der linken Hand ist. Könnte der Finger entfernt worden sein, um einen Ring abzubekommen?«
    »Es war der Mittelfinger«, gab Munster zu bedenken, »nicht der Ringfinger.«
    »Man kann einen Ring doch auch am Mittelfinger tragen«, entgegnete Karlsson. »Wer zum Teufel ist der Kerl?«
    »Don und seine Leute haben ihm Fingerabdrücke abgenommen«, informierte ihn Munster. »Es hat ihnen keinen großen Spaß gemacht, aber sie waren erfolgreich. Nur hat sich leider keine Übereinstimmung mit unseren Datenbanken ergeben.«
    »Was meint ihr also?«, fragte Karlsson. »Wo sollen wir anfangen ?«
    Munster und Long wechselten einen ratlosen Blick. Keiner sagte etwas.
    »Ich weiß auch nicht, was ich davon halten soll«, meinte Karlsson schließlich, »aber ich weiß, was ich hoffe.«

    »Nämlich?«
    »Ich hoffe, dass er einen schlichten Herzinfarkt hatte und diese Verrückte vor lauter Panik nur nicht wusste, was sie mit ihm machen sollte.«
    »Aber er war nackt«, gab Yvette zu bedenken, »und wir haben keine Ahnung, wer er ist.«
    »Sollte er tatsächlich an einem Herzinfarkt gestorben sein, dann muss sich ein anderer mit diesem Problem herumschlagen.« Er runzelte die Stirn. »Ich wünschte, mir fiele jemand ein, der mit dem Gebrabbel von Michelle Doyce etwas anfangen kann.«
    Noch während er die Worte aussprach, tauchte vor seinem geistigen Auge ein Gesicht auf, ernst und mit dunklen Augen: Frieda Klein.
    B itte nehmen Sie Platz, Doktor Klein.«
    Frieda war schon etliche Male in dem Raum gewesen. Während ihrer Ausbildung hatte sie hier Seminare besucht und als fertig ausgebildete Analytikerin selbst Seminare geleitet. Einmal hatte sie sogar dort gesessen, wo jetzt Professor Jonathan Krull saß, und ihren jetzigen Platz hatte der herausragende, damals sechzigjährige Therapeut eingenommen, der bald darauf wegen beruflichen Fehlverhaltens aus der Psychoanalytikervereinigung – dem British Psychoanalytic Council – ausgeschlossen worden war.
    Während sie sich nun niederließ, holte sie noch einmal tief Luft, um ihre Nerven zu beruhigen, und faltete die Hände im Schoß. Sie kannte Krull vom Hörensagen und Dr. Barber als Kollegin. Mit Letzterer verstand sie sich recht gut – was erklärte, wieso Dr. Barber nun einen so verlegenen Eindruck machte und Schwierigkeiten hatte, Frieda in die Augen zu sehen. Das dritte Mitglied
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher