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Blauer Montag

Blauer Montag

Titel: Blauer Montag
Autoren: N French
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einfach nicht dazu bewegen, das Telefon von dem schmutzigen Teppich aufzuheben, denn nun sah sie, dass es sich keineswegs um einen Taucheranzug handelte, sondern um sein nacktes, aufgedunsenes, platzendes Fleisch, und dass der Mann tot war. Lange tot.
    D etective Constable Yvette Long traf ein paar Augenblicke vor Karlsson ein. Obwohl der Anruf gerade mal fünfzehn Minuten zurücklag, hatte sich auf der Straße bereits eine kleine Schar von Neugierigen versammelt. Alle wirkten aufgeregt und hatten vor Neugier glänzende Augen. Vor Nummer 3 parkten zwei Streifenwagen, und der Bereich vor dem Haus war bereits mit Plastikband abgesperrt. Yvette Long stellte ihren Wagen ab und steuerte auf den Eingang zu. Als sie die Tür öffnen wollte, kam gerade DC Chris Munster aus dem Haus, ein Taschentuch vor den Mund gepresst.
    »Wo ist die Frau, die ihn gefunden hat?«
    Munster nahm das Taschentuch vom Mund und steckte es ein. Es fiel ihm sichtlich schwer, seine Gesichtzüge unter Kontrolle zu halten. »Entschuldigung, die Sache ist mir ein bisschen auf den Magen geschlagen. Sie ist dort drüben.« Er nickte zu einer Farbigen mittleren Alters hinüber, die ein paar Meter von ihnen entfernt auf dem Gehsteig saß und die Hände vors Gesicht geschlagen hatte. »Sie wartet, bis wir Zeit haben, mit ihr zu sprechen. Vermutlich steht sie unter Schock. Die andere Frau – die, die bei ihm war – sitzt mit Melanie im Wagen. Sie redet die ganze Zeit über Tee. Die Spurensicherung ist schon unterwegs.«
    »Karlsson kommt auch gleich.«
    »Gut.« Munster senkte die Stimme. »Wie können diese Leute nur so leben?«
     
    Long und Karlsson schlüpften in papierene Überschuhe. Dann nickte er ihr aufmunternd zu und legte ihr für einen Moment
eine Hand auf den Rücken, als wollte er ihr mit dieser Geste Kraft spenden. Sie holte tief Luft.
    Später würde Karlsson versuchen, alle seine Eindrücke auseinanderzusortieren und in eine gewisse Ordnung zu bringen, vorerst aber bot sich ihm ein Wirrwarr aus Anblicken und Gerüchen, von denen ihm so übel wurde, dass ihm der Schweiß ausbrach. Durch den ganzen Müll, den Hundekot und den penetranten, leicht süßlichen Geruch, der einem sofort hinten im Hals stecken blieb, steuerten er und Yvette auf die einzige offene Zimmertür zu. Als sie eintraten, wechselten sie in ein völlig anderes, geordnetes Universum über. Plötzlich kamen sie sich vor wie in einer Bibliothek, wo alles gewissenhaft katalogisiert und am dafür bestimmten Platz untergebracht war: drei Paar alte Schuhe, ordentlich übereinander gestapelt, ein Regalfach mit lauter runden Steinen, ein anderes Fach voller Vogelknochen, an denen zum Teil noch Federn klebten, eine Schale mit Zigarettenkippen, fein säuberlich nebeneinander gelegt, ein Plastikbehälter, gefüllt mit etwas, das aussah wie Haarknäuel. Während Karlsson ins angrenzende Zimmer hinüberging, blieb ihm gerade genug Zeit für den Gedanken, dass die Frau, die in diesen Räumen lebte, verrückt sein musste. Dann starrte er eine Weile nur noch das Ding auf dem Sofa an – den nackten Mann, der da in aufrechter Haltung vor ihm saß, umgeben von einer Wolke träger, fetter Fliegen.
    Der Tote wirkte schlank und – auch wenn das in diesem Stadium letztendlich schwer zu sagen war – nicht allzu alt. Seine Hände lagen auf seinem Schoß, als wollte er damit seine Blöße bedecken, und in der einen Hand steckte ein mit Zuckerguss überzogenes Gebäckstück. Er hatte ein Kissen im Nacken, das den Kopf stützte, so dass der Blick seiner offenen, schwefelgelben Augen direkt auf die Eintretenden gerichtet war und sein schiefer, erstarrter Mund aussah, als lächelte er spöttisch. Seine Haut wies eine fleckige, bläuliche Färbung auf, wie ein Schimmelkäse, den man zu lange im Warmen gelassen hatte.
Als er sich ein wenig vorbeugte, sah er, dass sich auf dem Torso des Mannes eine Art Muster aus vertikalen Streifen abzeichnete. Nach den dunklen Hautverfärbungen an der Unterseite seiner Oberschenkel und Pobacken zu urteilen, wo das Blut zusammengelaufen war, musste er schon eine ganze Weile tot sein. Dafür sprach auch der Geruch, der Yvette Long, die hinter Karlsson stand, zu flachen, keuchenden Atemzügen veranlasste. Neben dem linken Fuß des Mannes, der in einem unnatürlichen Winkel und mit gespreizten Zehen nach oben ragte, standen zwei volle Tassen Tee. In seinem hellbraunen Haar steckte ein Kamm, und seine Lippen waren rot geschminkt.
    »Offensichtlich sitzt er hier schon
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