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Blaubeertage (German Edition)

Blaubeertage (German Edition)

Titel: Blaubeertage (German Edition)
Autoren: Kasie West
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die Wand herum und sehe, wie meine Mom sich auf dem Sofa ausgestreckt hat.
    »Alles okay, Mom?«
    Sie richtet sich etwas auf, bleibt aber liegen. »Bloß erschöpft. Bin heute Morgen besonders früh aufgestanden.«
    Ich fange an, die Einkaufstüten auszupacken, und stelle das Fleisch und das gefrorene Apfelsaftkonzentrat in den Kühlschrank. Vor Jahren hab ich meine Mom mal gefragt, ob wir nicht richtigen Apfelsaft kaufen können, und sie hat gemeint, dass er zu teuer sei. Ich war sechs. Damals wurde mir zum ersten Mal klar, dass wir arm sind. Es war definitiv nicht das letzte Mal.
    »Ach Süße, kümmere dich nicht ums Auspacken. Ich mach das gleich. Kannst du wieder runter in den Laden gehen?«
    »Klar.« Auf dem Weg zur Tür schnappe ich mir die restlichen Tüten, stelle sie ebenfalls auf die Küchentheke und gehe runter. Mein Gehirn braucht den ganzen Weg die Treppe hinunter, um sich daran zu erinnern, dass meine Mom heute Morgen, als ich zur Schule gegangen bin, immer noch im Bett lag. Und das sollte »sehr frühes« Aufstehen gewesen sein? Ich werfe einen Blick über die Schulter die Treppe hoch und bin versucht, umzudrehen und sie zur Rede zu stellen. Aber ich lasse es. Ich nehme meinen Platz hinter der Ladentheke ein, hole meine Englischlektüre heraus und hebe meinen Blick erst wieder, als die Glocke an der Ladentür bimmelt.

3.
    E ine meiner absoluten Lieblingskundinnen kommt durch die Tür. Sie ist schon älter, aber witzig und scharfsinnig. Ihre Haare sind tiefrot oder gehen ins Lilafarbene, je nachdem wie lange die letzte Tönung zurückliegt. Und immer trägt sie einen Schal, egal wie heiß es draußen ist. Jetzt allerdings, im Herbst, ist der Schal sogar passend; der von heute ist knallorange mit lilafarbenen Blumen.
    »Caymen«, sagt sie mit einem Lächeln.
    »Hi Mrs Dalton.«
    »Süße, ist deine Mom heute da?«
    »Sie ist oben. Soll ich sie holen oder kann ich Ihnen weiterhelfen?«
    »Ich hatte eine Sonderbestellung aufgegeben und wüsste gerne, ob sie schon eingetroffen ist.«
    »Ich schaue mal eben nach.« Ich nehme einen Ordner aus der Schublade unter der Kasse, in dem die Bestellungen aufgelistet sind. Mrs Daltons Name ist einfach zu finden, weil es nur wenige Einträge gibt, und die meisten davon sind ihre. »Sieht so aus, als sollte die Puppe morgen eintreffen, aber lassen Sie mich kurz nachfragen, damit Sie nicht umsonst kommen.« Ich greife zum Telefon und erfahre, dass die Bestellung nicht vor morgen Nachmittag kommen wird.
    »Es tut mir leid, dass ich dich damit behelligt habe. Das hatte mir deine Mutter auch gesagt. Ich hatte bloß gehofft, die Puppe wäre schon da.« Sie lächelt. »Sie ist für meine Enkeltochter. Sie hat in ein paar Wochen Geburtstag.«
    »Wie schön. Ich bin sicher, dass sie die Puppe toll finden wird. Wie alt wird die glückliche Kleine denn?«
    »Sechzehn.«
    »Oh. Die glückliche … Große.« Ich weiß nicht, was ich sonst sagen soll, ohne unhöflich zu klingen.
    Mrs. Dalton lacht. »Keine Sorge, Caymen, sie bekommt noch etwas anderes. Dieses Geschenk ist mehr dazu gedacht, ihrer Grandma Spaß zu machen. Seit sie ein Jahr alt geworden ist, hat sie jedes Jahr von mir eine Puppe bekommen. Es fällt mir schwer, mit einer Tradition zu brechen, egal wie alt die Kinder werden.«
    »Meine Mutter dankt es Ihnen.«
    Mrs Dalton lacht. Sie versteht meine Witze. Vielleicht, weil ihr Humor genauso trocken ist.
    »Sie ist das einzige Mädchen, deswegen verwöhne ich sie nach Strich und Faden.«
    »Gibt es bei den Jungs auch eine Tradition?«
    »Einen Tritt in den Hintern.«
    »Großartige Tradition. Ich finde, Sie sollten ihnen auch eine Puppe zum Geburtstag schenken. Wahrscheinlich fühlen sie sich übergangen.«
    Sie lacht. »Das müsste ich mal ausprobieren.« Sie wirft dem Ordner auf der Ladentheke einen sehnsüchtigen Blick zu, als wünschte sie, das Datum würde plötzlich umspringen und ihre Puppe herbeizaubern. Sie öffnet ihre Handtasche und wühlt darin herum. »Wie geht’s Susan?«
    Ich schiele kurz nach hinten, als würde meine Mom bei der bloßen Erwähnung ihres Namen die Treppe herunterkommen. »Ihr geht’s gut.«
    Sie holt ein kleines rotes Büchlein heraus und blättert darin. »Morgen Nachmittag hast du gesagt?« Ich nicke.
    »Oh nein, das klappt nicht. Da habe ich einen Termin beim Friseur.«
    »Das ist schon in Ordnung. Wir legen sie für Sie zurück, bis Sie kommen. Sie können sie Mittwoch oder auch an jedem anderen Tag diese Woche abholen. Wie es Ihnen
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