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Blaubeertage (German Edition)

Blaubeertage (German Edition)

Titel: Blaubeertage (German Edition)
Autoren: Kasie West
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schon klar, dass er nicht mich damit meinte, aber die Art, wie er das »sie« betont hat, klang so, als fände er mich süß. Ich schaue nach unten, reiße den Kassenzettel ab und halte ihm dann einen Stift hin, damit er unterschreiben kann. Er erledigt es mit einer Hand. Ich vergleiche die Unterschrift mit der auf der Karte und gebe sie ihm dann zurück.
    »Nein, nicht das … ich meine, sie auch, aber … ach, du weißt schon, was ich meine. Alles bestens. Bin gleich wieder zu Hause.« Er seufzt. »Ja, ich meine, nachdem ich beim Bäcker war. Erinnere mich daran, dass ich das nächste Mal flüchte, wenn deine Assistentin ihren freien Tag hat.« Er kneift seine Augen zu. »So hab ich das nicht gemeint. Ja, natürlich weiß ich so mehr zu schätzen, was ich hab. Okay, Mom, wir sehen uns gleich. Bye.«
    Ich gebe ihm die Tüte mit der Puppe.
    »Danke für deine Hilfe.«
    »Kein Problem.«
    Er nimmt sich eine Visitenkarte aus der Box neben der Kasse und beäugt sie für einen Moment kritisch. »Und mehr?«
    Unser Laden heißt »Puppen und mehr«. Er stellt die gleiche Frage wie alle anderen, die in den Laden kommen und nur Puppen sehen. Ich nicke. »Puppen und mehr Puppen.«
    Er schaut mich fragend an.
    »Wir haben früher auch Armbänder mit Anhängern und Stofftiere verkauft, aber die Puppen sind eifersüchtig geworden.«
    Er wirft mir einen Blick zu nach dem Motto Ist das dein Ernst? Anscheinend ist er bei noch keinem seiner »Schau mal beim gemeinen Volk vorbei, um das Leben mehr zu schätzen«-Ausflüge auf jemanden wie mich getroffen. »Lass mich raten, die Puppen haben damit gedroht, dir deine Seele zu stehlen, wenn du dich ihren Wünschen nicht fügst.«
    »Nein, sie haben damit gedroht, die Seelen unserer ehemaligen Kunden wieder freizulassen. Das konnten wir nicht riskieren.«
    Er lacht, was mich überrascht. Ich habe das Gefühl, als wäre mir etwas gelungen, was nicht viele schaffen, und ich muss gegen meinen Willen lächeln.
    Ich deute mit dem Kopf auf die Visitenkarte. »Meine Mom mag die Puppen am liebsten. Sie hatte die Nase voll von Stoffmäusen.« Außerdem konnten wir es uns nicht mehr leisten. Irgendetwas von dem Zeug hatte verschwinden müssen und die Puppen waren es natürlich nicht. Und weil wir ewig pleite sind (sprich, wir verdienen kaum genug, um uns über Wasser zu halten), änderten wir den Namen des Ladens ebenso wenig wie die Visitenkarten.
    Er drückt seinen Zeigefinger auf die Karte. »Susan? Ist das deine Mom?«
    Das ist auch schon alles, was draufsteht – ihr Vorname mit ihrer Telefonnummer, als wäre sie eine Stripperin oder so. Ich zucke jedes Mal zusammen, wenn sie jemandem außerhalb des Ladens eine Visitenkarte gibt. »Ja, richtig.«
    »Und du bist?« Er schaut mir in die Augen.
    »Ihre Tochter.« Mir ist klar, dass er nach meinem Namen gefragt hat, aber den will ich ihm nicht verraten. Das Erste, was ich über die Reichen gelernt habe, ist, dass sie das gemeine Volk für eine angenehme Ablenkung halten, sich aber niemals, niemals auf irgendetwas Echtes mit seinen Vertretern einlassen würden. Und das ist mir nur recht. Die Reichen gehören einer anderen Spezies an, die ich mir nur aus sicherer Entfernung ansehe. Ich verkehre nicht mit ihnen.
    Er legt die Karte wieder zurück und geht ein paar Schritte rückwärts. »Weißt du, wo Eddie’s Bakery ist?«
    »Zwei Blöcke die Straße runter. Aber pass auf. In ihre Blaubeermuffins mischen sie irgendeine Substanz, die süchtig macht.«
    Er nickt. »Hab’s mir notiert.«

2.
    N ein, wir haben keine Barbiepuppen im Sortiment, nur Porzellanpuppen«, sage ich zum fünften Mal ins Telefon. Die Frau hört mir nicht zu. Sie regt sich gerade wahnsinnig auf, dass ihre Tochter sterben wird, wenn sie es nicht schafft, die Feenkönigin aufzutreiben. »Verstehe. Vielleicht sollten Sie’s bei Walmart versuchen.«
    »Hab ich schon. Sie sind ausverkauft.« Sie nuschelt irgendetwas von wegen, dass sie dachte, wir seien ein Puppengeschäft, und beendet das Gespräch dann einfach.
    Ich lege das Telefon weg und schaue Skye mit rollenden Augen an. Sie hat nichts mitbekommen, weil sie auf dem Fußboden liegt, ihre Kette in die Luft hält und zusieht, wie sie hin- und herschwingt.
    Skye Lockwood ist meine einzige richtige Freundin. Nicht, weil die anderen an meiner Highschool gemein wären oder so. Sie merken einfach nicht, dass es mich gibt. Wenn man schon vor der Mittagspause die Schule verlässt und nie bei irgendeiner ihrer Veranstaltungen auftaucht,
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