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Blackout (German Edition)

Blackout (German Edition)

Titel: Blackout (German Edition)
Autoren: Alice Gabathuler
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die Augen. »Machst du Witze?«
    Sie lachte schon wieder.
    Ich kannte niemanden, der mehr lachte als Dany. Und ich kannte niemanden, der sich bessere Kerle angelte als sie.
    Mir bleiben Typen wie Tobias. Typen mit weichen Lippen, langen Wimpern und Muckis, die sie sich in einem angesagten Fitnessstudio antrainieren. Typen, die aussehen wie die Popstars auf den Postern, die man sich mit dreizehn an die Zimmerwand pappt. Aber irgendwann wird man siebzehn und hätte gerne mehr. Außer man heißt Leonie und hat Kunstdrucke an den Wänden hängen.
    Mit solchen Softie-Poster-Typen kann man shoppen gehen, über Labels diskutieren, im Starbucks einen Kaffee trinken, den sie bezahlen, und danach ein wenig knutschen oder sogar braven Sex haben. Ich wollte diesen Sommer viel mehr als Kaffee bei Starbucks, knutschen und braven Sex. Ich wollte alles. Vor allem die ganzen Kerle.
    Die Voraussetzungen waren gut. Unser Haus war drei Wochen lang eine sturmfreie Bude, oder zumindest eine fast sturmfreie Bude. Einfach war es nicht gewesen, doch um zu meinem Ziel zu kommen, hatte ich mit Dany und Leonie einen Plan ausgeheckt, den ich Stufe um Stufe umsetzte.
    Als Erstes überzeugte ich meine Eltern davon, dass ich dringend sommerlichen Nachhilfeunterricht brauchte, was sogar stimmte. Meine Französisch- und meine Mathenote entsprachen, um es in den Worten meiner Schuldirektorin zu sagen, nicht den Anforderungen der privaten Institution, in die mich Mam und Paps gesteckt hatten, nachdem ich den Übertritt ins Gymnasium nicht geschafft hatte.
    Meinen Eltern zu erklären, dass ein Aufenthalt auf irgendeinerKaribikinsel, auf der Holländisch gesprochen wird, nicht ganz das Richtige für jemanden sei, der sich in Franz und Mathe verbessern sollte, war der schwierigste Teil meiner Mission gewesen, aber irgendwann leuchteten ihnen meine Argumente ein und sie beschlossen, meiner Bildung zuliebe auf den Familienurlaub zu verzichten. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Ich wollte sie weghaben. Also setzte ich eine tapfere Miene auf und verkündete, ich sei alt genug, den Sommer allein zu Hause zu verbringen. Meine Brüder Tim und Lukas reagierten begeistert auf die Vorstellung, mich drei Wochen los zu sein. Bei meinen Eltern biss ich auf Granit.
    Es war Dany, die die rettende Idee hatte. Sie erinnerte sich an meine Tante Helene, die in Hollywood ihr Glück gesucht und nicht gefunden hatte. Der große Reichtum war ebenfalls ausgeblieben, weshalb Helene in einer winzig kleinen Wohnung in einer verschnarchten Kleinstadt lebte und weiterhin vom Luxus träumte. Zum Beispiel dem Luxus, im Villenviertel von St. Gallen den Sommer zu verbringen.
    Tante Helene als Aufpasserin überzeugte meine Eltern nicht wirklich, aber weil die Karibik lockte und die Jungs quengelten, stimmten sie widerwillig zu und flogen ohne mich in exotische Gefilde. Vor mir lag mein erster Sommer in Freiheit. Mit einer kleinen Einschränkung: Ich musste meinen Eltern versprechen, jeden Morgen den Nachhilfeunterricht zu besuchen, den sie für mich in einem unsagbar teuren Lerninstitut gebucht hatten.
    »Tja, an jeder Freiheit hängt ein Preisschild«, meinte Dany lakonisch dazu.
    Ich war das Preisschild an Tante Helenes Freiheit. Noch bevor sie ihre Koffer auspackte, sagte sie: »Du bist siebzehn, du kannst allein auf dich aufpassen.« Damit segelten unsere Preisschilder schon am ersten Tag in den Papierkorb. Ich war frei. Einen Augenblick wünschte ich mir, Helene wäre meine Mutter, doch der Augenblick löste sich blitzschnell auf, als sie ganz in Kanarienvogelgelb und aufgebrezelt wie ein überschmückter Weihnachtsbaum in das Taxi stieg, das sie bestellt hatte.
    »Ich geh dann mal die City unsicher machen«, erklärte sie mit rauchiger Stimme, zwinkerte dem Fahrer zu und verschwand im Wageninnern.
    Helene verschwand ziemlich oft, leider jedoch erst nach dem Mittag, den sie Lunch nannte, weil sie fand, das klinge besser, und für den sie jeweils am Vortag sündhaft teure Häppchen aus einem Delikatessengeschäft mitbrachte. Um sie gut gelaunt zu halten, ging ich jeden Morgen brav ins Lerninstitut, wo eine nette Französischlehrerin und ein furchtbar langweiliger Mathe-Mensch versuchten, mein Bildungsniveau zu steigern. Am Nachmittag lagen Dany, Leonie und ich am Pool oder zogen durch die Shops unserer Stadt, manchmal auch durch die Shops von Zürich. Abends gingen wir aus.
    Es war also beinahe perfekt. Beinahe, weil zum vollkommenen Glück die ganzen Kerle fehlten. Dabei wäre
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