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Blackout (German Edition)

Blackout (German Edition)

Titel: Blackout (German Edition)
Autoren: Alice Gabathuler
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steckt dahinter?
    Stimmen zum Buch:
    Neutral und nicht wertend führt uns die Schweizer Autorin vor Augen, wie Cybermobbing funktioniert und sich Emotionen im Netz hochschaukeln.
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Kälte vertreibt mich aus der Bewusstlosigkeit. Gnadenlos dringt sie durch meine Kleider, unter meine Haut, in meinen Körper und zwingt mich zurück in die Wirklichkeit. Modriger Gestank schwallt in meine Nase. Aus meinem Mund rinnt Speichel. Ich will ihn wegwischen, doch meine rechte Hand hängt in einer eisigen Umklammerung in der Luft. Ich versuche es mit der linken. Sie liegt taub neben meinem Körper, als würde sie nicht zu mir gehören.
    Ein Splitter bohrt sich in meine Wange. Holz? Ich liege auf Holz? Warum? Und warum ist es so kalt und nass? Was war vor dem Dunkel?
    Erinnerungsfetzen sirren wie betrunkene Killerbienen durch meinen Kopf. Sie knallen gegen meine Schädelwände, prallen daran ab und flippern als Querschläger durch mein vernebeltes Hirn.
    Ein menschenleerer Parkplatz.
    Arme, die sich von hinten um mich schlingen.
    Eine Hand auf meinem Mund.
    Ein grässlicher Geschmack.
    Dunkelheit.
    Die Zunge klebt an meinem Gaumen, meine Lider sind zentnerschwer. Ich richte meine ganze Kraft darauf, siehochzudrücken. Unendlich langsam öffnet sich ein Spalt, durch den Licht dringt. Aus meiner Kehle dringt ein krächzendes Stöhnen. Der Spalt schließt sich wieder.
    Ich möchte in meinem Bett sein. Eingekuschelt in warme Decken und schlafen. Einfach nur schlafen. Aber hier ist es hart, kalt und es stinkt. Mein Atem geht schneller und schneller, bis ich hechle wie ein Hund. Ich bin nicht in einem Traum. Das hier passiert wirklich. Niemand wird kommen und mir sagen, dass alles gut wird. Das wird es nicht.
    Ich habe keine Ahnung, weshalb ich das mit solch absoluter Gewissheit weiß, es ist einfach so. Mir bleibt damit eine Wahl, die nicht wirktich eine ist: Ich kann im Dunkeln auf das Unvermeidliche warten oder mich ihm stellen. Weil nichts schrecklicher ist als die Ungewissheit, versuche ich ein zweites Mal, meine Augen zu öffnen.
    Diesmal schaffe ich es. Alles sieht aus wie durch eine Brille mit viel zu dicken Gläsern. Und wie von einer Brille mit zu dicken Gläsern wird mir übel. Der Moder gibt mir den Rest. Ich würge die aufsteigende Flüssigkeit zurück in die Speiseröhre.
    Räum die Schweinerei auf!
    Es ist meine Stimme, ein Echo aus der Vergangenheit.
    Langsam gewinnt das Bild an Schärfe. Ich liege an einem Pool. Ohne Wasser. Auf dem Boden des Beckens kleben verwelkte Blätter. Ich zwinge meinen Blick an den Blättern entlang zur Beckenwand, über den Rand hinaus, dem Verlauf der hölzernen Planken nach.
    Räum die Schweinerei auf!
    Ein anderer Pool in einer anderen Zeit.Gelächter. Streichholzschachteln, die auf dem Wasser hüpfen wie kleine Schiffchen. Ich blinzle. Die Schiffchen lösen sich auf. An ihrer Stelle sehe ich Bikerboots. Sie sind keine Erinnerung, sondern wirklich da, irgendwie verkehrt herum, weil ich mit der Wange auf dem Holz klebe.
    Ich weiß jetzt, was vor der Dunkelheit war. Ich weiß, weshalb ich hier bin, und ich weiß, wer mich hergebracht hat.
    Es ist vorbei.
    Das hat der Matchbox Boy geschrieben, vor genau achtzehn Tagen.
    Ich habe mich in seine Webseite geloggt und einen Kommentar hinterlassen.
    Es ist nicht vorbei. ICH bin das Ende. Ich warte auf dich, Arschloch.
    Ohne einen Augenblick zu zögern, drückte ich die Entertaste. Ich wollte diesem selbstgerechten Irren in die Augen schauen und ihm zeigen, dass er keine Macht mehr über mich hat, egal, was er tut.
    Ich bestimme, wann es vorbei ist, nicht er.
    Aber nicht so!
    Nicht vor ihm auf dem Boden liegend!
    Vorsichtig bewege ich mich. Ein Ruck bremst meinen rechten Arm, durch mein Handgelenk schießt ein Schmerz, der mich laut aufstöhnen lässt. Ich schaue hoch und sehe Metall um mein Handgelenk, eine Kette, die zu einer angerosteten Stange führt.
    Er hat mich wie einen Hund an das Sprungbrett gekettet!
    Ich versuche es mit meinem linken Arm. Er ist nichtmehr taub, doch er kribbelt, als ich mich auf ihn stützen will. Beim ersten Versuch knickt er ein, auch beim zweiten. Ich mache weiter, bis es mir gelingt, mich in die Sitzposition zu stemmen. Aufstehen geht nicht, weil mir dazu von der Anstrengung zu schwindlig ist. Sitzen muss reichen.
    Ich bin bereit. Bereit für den Matchbox Boy, auch wenn ich mir das Ende anders vorgestellt habe. Ich bin hartes, blankes Eis, so hart, dass ich mich manchmal frage, ob ich je wieder irgendetwas
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