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Blackout (German Edition)

Blackout (German Edition)

Titel: Blackout (German Edition)
Autoren: Alice Gabathuler
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des Seelenklempners irgendwo auf der anderen Seite. Ich weiß, dass er zusieht, wenn nicht jetzt, dann später auf YouTube oder in irgendeiner Überwachungszentrale. »Wir dachten, es gehört zum Spiel.« Soll der Typ an seinen Schuldgefühlen ersticken.
    Mick lehnt sich vor. »Ein tödlicher Irrtum.«
    Ich antworte nicht. Weil das keine Frage war.
    »Vier Menschen sind ums Leben gekommen.«
    Ich schweige weiter. Wenn er etwas Bestimmtes wissen will, soll er mich FRAGEN.
    »Wie kommt man mit so was klar?«
    Scheiße. Falsche Frage.
    »Carlos, wie kommt man mit so was klar?«
    Man besäuft sich. Legt sich mit jedem an, der garantiert stärker ist. Bekommt ordentlich eins auf die Fresse und saugt den Schmerz auf wie eine Erlösung auf Zeit. Und man gibt sich die Maximalstrafe. Nie mehr zocken. Wobei ich immer noch darüber nachdenke, ob das wirklich eine Strafe ist.
    »Man schneidet sich die Seele raus und schaut ihr zu, wie sie verblutet«, antworte ich. Ist nicht von mir, sondern von Greti.

10. Juli. Zürich. Bahnhofgebäude. 11.15 Uhr. Greti.
    Blitzlichter blenden mich. Ich bleibe stehen, aber der uniformierte Hüne hinter mir schiebt mich einfach weiter. Wären wir in einem Spiel, würde ich ihn mit ein paar gezielten Schlägen außer Gefecht setzen und verschwinden. Noch bin ich jedoch in der realen Welt, wo zivilisierte Menschen ihre Probleme mit Worten lösen. In dieser realen Welt habe ich alle meine Rechte freiwillig an Cupid Arcade abgegeben, um unter jenen Ersten zu sein, die heute in eine neue Dimension der virtuellen Welt vorstoßen. Auf mich wartet das Spielabenteuer meines Lebens. Leider führt der Weg dorthin über eine Pressekonferenz.
    Die Blitzlichter sind von den Fotoapparaten der Medienleute und der Hüne, der mich in Richtung Podest drückt, tut das, weil ich vor der Presse etwas sagen soll. Ich. Ausgerechnet ich.
    Es war nicht meine Entscheidung, sondern die von Rahel Huber, jener Frau, die uns nach der Ankunft am Bahnhof in Empfang genommen und in einem fensterlosen Raum versammelt hat.
    »Für die von Ihnen, die sich keine Namen merken können, noch einmal: Ich bin Rahel Huber.« Ihre laute Stimme überraschte mich, sie passte nicht zu den hohen Absätzen ihrer Schuhe. »Ich leite dieses Projekt. Alles andere später. Erst einmal brauche ich drei von Ihnen für die Pressekonferenz.«
    Ich sah mich um. Mir war klar, wen sie wählen würde: die außerirdisch schöne Kriegsgöttin und den geheimnisvollen Manga-Jungen mit den tiefdunklen Augen. Als Dritte kamen die Elfe oder ich infrage. Ich hoffte auf die Elfe, doch Rahel Huber wählte mich, wahrscheinlich, weil ich auf manche Leute wie eine Lara-Croft-Kopie wirke. Ich versuche nicht, dieses Vorurteil zu korrigieren, denn die Haut der unverwundbaren Heldin ist ein ideales Versteck für das, was meine Eltern das Sprachproblem nennen.
    Rahel Huber habe ich, auf meine Weise, dieses Problem zu erklären versucht.
    »Ich kann das nicht.«
    »Das spielt keine Rolle«, antwortete sie. »Du musst nur gut aussehen.«
    Natürlich fiel mir darauf eine Antwort ein. Es ist nicht so, dass ich nicht denken kann. Bei mir ist einfach der Teil im Hirn defekt, der die Gedanken zu gesprochenen Sätzen umwandelt, weshalb ich, wann immer möglich, in ganz kurzen Sätzen rede. Auch dann kommt noch vieles zu direkt oder zu unverständlich bei meinem Gegenüber an, oder besser gesagt, nicht an, vor allem bei Fremden. Weil Rahel Huber mein Aussehen wichtiger ist als meinSprachvermögen, bin ich nun auf dem Weg zu dieser Pressekonferenz, an der ich nicht teilnehmen will.
    Ich weiß, dass ich damit rechnen musste. Wir haben alle einen Vertrag unterschrieben, zwölf dicht beschriebene Seiten mit einer Unmenge von Paragrafen und Unterparagrafen. Sebi ist das Schriftstück mit uns durchgegangen, Punkt für Punkt. Einer dieser Punkte regelt auch unseren Umgang mit der Presse.
    Wir dürfen nur nach Absprache und mit Einwilligung der Firma Cupid Arcade mit Medienleuten reden. Die Firma kann uns zwingen, Interviews zu geben, und sie kann es uns verbieten. Dazu braucht sie keine Gründe. Sie darf sogar bestimmen, was wir sagen.
    Die Regeln zum Umgang mit den Medien sind ein Spiegelbild für den gesamten Vertrag, der uns mehr oder weniger alle Freiheit auf eigenständige Entscheidungen nimmt, oder anders formuliert: Wer bei diesem Projekt mitmachen will, muss dafür seine Rechte aufgeben. Kein Mensch mit einer Faser Verstand hätte seinen Namen unter ein solches Regelwerk gesetzt.
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