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Blackout (German Edition)

Blackout (German Edition)

Titel: Blackout (German Edition)
Autoren: Alice Gabathuler
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nicht.« Nicks Stimme zitterte.
    »Überleg dir gut, ob du dabeibleiben willst.« Der Polizist griff nach seiner Jacke, die er auf das Fußende von Nicks Bett gelegt hatte. »Der Doktor hat mir nur zehn Minuten gegeben. Er will dich bis morgen zur Beobachtung hierbehalten. Ich komme dich um acht Uhr abholen. Du wirst eine Aussage machen müssen. Es liegt eine Vermisstenanzeige vor. Soll ich deine Eltern verständigen, damit sie dabei sein können?«
    »Warten Sie«, bat Nick. »Sie ist nicht wirklich weg, oder?«
    Der Polizist blieb stehen. »Ich hatte gehofft, dass du mir das verraten würdest.« Er sah Nick eindringlich an. »Willst du mir wirklich nichts sagen?«
    Nicks Gedanken rasten. Vermisstenanzeige. Wegen Carla. Sie war weg. Verschwunden. Aber es gab nichts, was er dem Bullen erzählen konnte. In seiner Erinnerung klaffte eine riesige Lücke.
    Der Polizist öffnete die Tür.
    »Ich …«
    »Ja?«
    »Nicht meine Eltern!«
    »Sonst gibt es nichts, das du loswerden willst?«
    Nick senkte den Blick. Wortlos verließ der Polizist das Zimmer. Nick kämpfte gegen aufsteigenden Brechreiz. Was immer er getan hatte, woran er sich nicht erinnern konnte, er hatte ausgerechnet jene Menschen in etwas Schreckliches verwickelt, die ihm versucht hatten zu helfen.

3
    W ie ein Paket hatte ihn sein Vater an jenem Abend an der Tür der Familie Egger abgegeben. Klingeln, ein kurzes Übergabeprozedere mit ein paar routiniert vorgebrachten Floskeln und dann der Abgang in Richtung Flughafen. Trotz des herzlichen Empfangs durch seine Gastfamilie fühlte sich Nick beschissen. Er saß am Esstisch, starrte auf den Teller und hoffte, dass niemand bemerkte, wie die Gabel in seiner Hand zitterte.
    »Schmeckt’s?«, fragte seine Tante. Sie sah ein bisschen aus wie ihre Schwester, Nicks Mutter. Nur die harten Linien um den Mund fehlten und ihre Augen waren freundlich, nicht wie die seiner Mutter, in denen Ablehnung lag, wenn sie ihn ansah.
    »Ja«, log er.
    Was immer sie sagte, es änderte nichts daran, dass er sich wie ein Fremdkörper vorkam in dieser Familie, die das Pech hatte, mit ihm verwandt zu sein.
    »Tut’s eigentlich noch weh?« Seine Cousine Carla deutete auf die verheilende Schramme an seinem Kopf. Acht Stiche hatte es gebraucht.
    »Nein, ist ganz okay.« Seine Hand stieß gegen das Glas neben seinem Teller. Es kippte und der Orangensaft ergoss sich über den Tisch. Bevor er reagieren konnte, sprang Carla auf, griff nach einem Lappen und reichte ihn Nick.
    »Kann vorkommen«, sagte sie. »Was meinst du, wie oft mir das schon passiert ist.«
    Unbeholfen und mit rot angelaufenem Gesicht wischte Nick den Saft auf.
    Carla setzte sich wieder. »Ich geh heute Abend noch mal schnell weg.« Sie drehte gekonnt die Spaghetti auf ihre Gabel.
    »Schnell? Das glaubst du doch selbst nicht«, spottete Finn. »Wie sieht er denn aus?«
    Carlas Gabel hing in der Luft, ihre Augen blitzten verschmitzt.
    »Tja, Brüderchen, da muss ich dich enttäuschen. Er ist eine Sie. Und nein, sie ist nicht dein Typ.«
    »Als ob deine Freundinnen je mein Typ wären!«
    »Hey, was willst du damit sagen?« Sie schlug ihm kräftig gegen seinen Oberarm.
    »Lass das!«
    »Ach komm schon.« Sie lachte. Ein lautes, angenehmes Lachen, das Nick gefiel.
    Er stand auf, spülte den Lappen aus und setzte sich wieder hin. Eigentlich schmeckte das Essen ganz gut.
    Nach dem Abendessen bat ihn Susanna, noch eine Weile bei ihr in der Küche zu bleiben.
    »Willst du etwas trinken?«, fragte sie.
    »Nein, danke.« Nick schaute seiner Tante zu, wie sie ruhig und konzentriert die silberne Kaffeemaschine bediente.Verstohlen musterte er ihr Gesicht. War seine Mutter auch einmal schön gewesen?
    »Willst du wirklich nichts?« Susanna musste zweimal fragen, bis Nick sie hörte.
    »Nein.«
    Sie stellte zwei Tassen auf den Tisch und rief nach Martin. »Es ist bestimmt nicht einfach für dich«, sagte Susanna und schaute ihn an.
    Nick schwieg. Einfach war es schon lange nicht mehr.
    Martin kam in die Küche und setzte sich zu ihnen.
    »Es ist ein Versuch«, meinte sie.
    »Ich weiß«, sagte Nick.
    »Wir dachten, es sei das Richtige in dieser Situation.«
    Warum sagte sie nicht einfach die Wahrheit? Niemand schlug dem großen Albert Bergamin etwas aus, nicht einmal, wenn es darum ging, seinen Sohn aufzunehmen. Sein Vater hatte die Argumente wie immer auf seiner Seite gehabt. Neuer Anfang. Neue Chance. Für alle besser so. Besonders für Nick. Was daran für die Eggers besser sein sollte,
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