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Black Mandel

Black Mandel

Titel: Black Mandel
Autoren: Berni Mayer
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Büro-Agonie. Es war gut, etwas zu unternehmen, statt zu warten, bis das große Nichts über einen hinweggezogen war. Weil das große Nichts jahrelang verharren kann, das ist hartnäckig, wenn man nichts unternimmt.
    Am Karfreitag, um fünf Uhr früh, stand ich wie verabredet unten auf der Straße und wartete auf den Mandel, der den Firmenwagen wie üblich mit nach Hause genommen hatte. Angeblich wegen der schlechten Verkehrsverbindung zu seiner Wohnung. Um Viertel nach fünf schrieb ich ihm eine SMS , und um halb sechs rief ich bei ihm an, erreichte aber nur den Anrufbeantworter. Egal, wie kalt es in Norwegen war, es konnte nicht kälter als bei uns sein, denn als ich kurz vor sechs zurück in die Wohnung ging, ohne den Mandel erreicht zu haben, war ich fast erfroren. Das war mit Abstand der kälteste April, den ich in dieser Stadt erlebt habe. Um sieben rief der Mandel an und sagte, er habe verschlafen, brauche aber noch ein bisschen, bis er fertig sei.
    Autofahren mit dem Mandel ist immer dasselbe. Du redest auf ihn ein, er tut so, als ob er dir zuhört, hört aber eigentlich der Musik zu. Dann lässt man das Reden sein, der Mandel fährt und hört weiter Musik, und man beschäftigt sich irgendwie alleine. Mein Pech ist, dass mir vom Lesen im Auto schlecht wird und ich deshalb auf den Musikgeschmack vom Mandel angewiesen bin. Wie im Büro verhält er sich auch im Auto wie ein Alleinherrscher. Ich hatte gehofft, dass sich das mit dem gemeinsamen Auto ändert, aber da habe ich mich getäuscht. Stattdessen sind wir in unserem Firmenwagen der endgültigen Machtergreifung vom Mandel noch näher gekommen. Nachdem sie dem Mandel letztes Jahr seinen Audi angezündet haben, hat er trotz Erhalt der vollen Versicherungssumme inklusive der bisher gezahlten Leasing-Raten beschlossen, dass er gar keinen eigenen Wagen mehr braucht, es werde sowieso viel zu viel Auto gefahren auf der Welt. Und ob wir uns nicht auf Firmenkosten einen gemeinsamen Dienstwagen leisten wollten. Einen schwarzen Ford Focus, fünf Jahre alt, den der Mandel von einem mit seinem Bruder befreundeten Ford-Händler unten im Süden günstig erstanden hat. Eigentlich hatte uns der Bruder vom Mandel sein ausrangiertes Fahrschulauto, auch ein Audi, zum Vorzugspreis geben wollen, aber der Audi war gelb. Und so saß ich neben dem Mandel in dem Ford Focus und hoffte erneut auf mein Mitspracherecht an der Musik, weil es doch zur Hälfte mein Wagen war.
    »Später kannst du die Musik aussuchen«, log der Mandel.
    Was noch relativ harmlos mit der Brothers and Sisters von den Allman Brothers begann, fand seinen Negativhöhepunkt in der Kerschowski & Blankenfelder Boogie-Band, einer totalen Rarität, wie der Mandel mir erklärte. So blieb mir nichts anderes übrig, als dem Bluesrock zu entschlafen, bis ich an einer Raststätte wieder aufwachte. Wir waren ungefähr auf der Höhe von Flensburg, deutlich nach zwölf. Es war Karfreitag, und wir steckten mitten im Osterreiseverkehr, bloß weil der Mandel verschlafen hatte. Wir hatten uns für die Route über Dänemark entschieden, die siebzehn Stunden dauert. Keine Pausen eingerechnet. Am Sonntagabend war das Konzert, am Samstagfrüh würden wir in Bergen ankommen. Während sich der Mandel einen Kaffee und einen Schokoriegel holte, setzte ich mich ans Steuer. Nicht weil ich unbedingt fahren wollte, aber wenn es einen unveräußerbaren Grundsatz in den Regularien des zivilen Personentransports gibt, dann den, dass der Fahrer die Musik aussucht. Nach nur zehn Minuten mit meiner Musik fing der Mandel an dazwischenzureden, und das war garantiert nicht seinem Redebedürfnis geschuldet. Da ging es plötzlich darum, ob nicht der Flug billiger gewesen wäre, ob ich die Fährenpreise im Kopf hätte, ob ich dieses und jenes kannte, und wenn nein, warum nicht, und am Ende war die Mercyful-Fate-Platte durchgelaufen, ohne dass ich nur ein einziges Lied hätte genießen können.
    Auf der Fähre von Hirtshals nach Kristiansand saßen der Mandel und ich im Bordcafé an der Theke. Der Mandel sitzt gerne an der Theke, weil ein paar der wichtigsten Dinge auf der Welt passieren an der Theke, sagt er, ohne Beispiele zu nennen. Der Mandel trank einen Cappuccino und ich einen Weinbrand.
    »Warum trinkst du denn Weinbrand?«, fragte der Mandel und sah mich befremdet an.
    »Warum nicht? Ist mal was anderes.«
    »Man trinkt doch nichts, nur weil es mal was anderes ist«, sagte der Mandel und schaute auf sein Mobiltelefon.
    »Hast du hier Empfang?«,
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