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Black Mandel

Black Mandel

Titel: Black Mandel
Autoren: Berni Mayer
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Songs, aber die Band trug ihn vor wie eine Sinfonie. In dieser Zermalmung der herkömmlichen Songstruktur lag eine gewisse Anmut, das musste ich zugeben. Es hatte wenig mit dem Black Metal von Venom zu tun. Riffs und Refrains waren zweitrangig beziehungsweise nicht vorhanden, und auch das Handwerk stand – für Metal untypisch – nicht an erster Stelle. Alles ordnete sich der Atmosphäre des Songs unter, wenn man diesen endlosen Wutausbruch Atmosphäre nennen wollte. Nachdem der Song zu Ende war, sah ich mir das Video noch einmal an. Und noch einmal. Ab dem dritten Mal las ich den Text mit, den ich auf einer Website gefunden hatte, weil man verstand ja bei der Aufnahme kein einziges Wort davon.
    Arduous dreams arrive
    At the deep sleep of your life
    As I watch the pale moon rise
    I can hear the ancient cries.
    A forest clearing dimly lit
    From a distance I will follow
    The chosen one draws near
    The ground beneath is hollow.
    Echo of the past
    From northern fields of wrath
    Chaos heads down south
    Killing false gods in its path.
    Das war vielleicht nicht das idiomatischste Englisch und vielleicht auch kein ordentlicher Ja mbus, aber Dark Reich be schrieben hier ein Erweckungserlebnis, eine komplette Umwälzung der Verhältnisse, und das in einem fast sehnsuchtsvollen Ton, dass einem ganz warm ums Herz werden konnte. Nun fand ich auch die Bühnenshow nicht mehr so albern, besonders die Leichenbemalung war doch ganz passend, weil sie jeden dieser längst zerblödeten Rockmusik-Gesichtsausdrücke gnadenlos unterdrückte. Die Band betrieb ihre Musik mit einer bewundernswerten Ernsthaftigkeit. Die wollten gar nicht in den NME , dacht e ich noch. Dann schlief ich auf der Couch ein.
    Der Mandel und ich fahren mit einem uralten Ford über eine holprige Landstraße durch Irland. Aus irgendeinem Grund hat der Mandel das Licht ausgeschaltet, sodass man überhaupt nicht sieht, wohin er fährt. Der Mandel sitzt am Steuer und lenkt den Wagen über eine Straße, die man nicht sehen kann, nur hören. Jeden Stein, der von unten gegen das Bodenblech schlägt. Ich versuche angestrengt, draußen etwas zu erkennen, aber es ist so stockfinster, dass wir noch nicht einmal einen Baum sehen können, außer wir fahren dagegen. Das einzige Licht kommt von den Armaturen und erhellt einen Teil vom Gesicht vom Mandel. Wie seine eigene Leiche sieht der Mandel aus, bis auf den Umriss ganz dunkel und zugleich schneeweiß im Gesicht. In dem bleichen Licht der Armaturen. Vielleicht ist er auch längst tot und krallt sich nur noch in einer Totenstarre am Lenkrad fest. Aber für einen Toten fährt er recht gut, muss man sagen. In der Ferne taucht ein Licht auf. Bald sind es zwei, und sie reißen die Dunkelheit auseinander und teilen sie unter sich auf. Ein Auto kommt uns entgegen. Der Mandel fährt unbeirrt weiter. Das fremde Auto kommt kurz vor uns zum Stehen, und auch der Mandel bremst. Anscheinend ist der Mandel doch noch nicht ganz tot, oder sein leichenstarrer Fuß ist auf die Bremse gerutscht. Die grellen Scheinwerfer des anderen Autos schießen in unseren Ford hinein. Der Mandel starrt in das gleißende Licht, und sein rechter Nasenflügel bebt. Er ist also nicht tot. Ich betrachte wieder das andere Auto und werde das Gefühl nicht los, dass ich den Fahrer kenne, obwohl ich natürlich nichts sehe in dem weißen Licht. Der Mandel hat die Hand am Türgriff, aber ich sage: »Nicht aussteigen. Das geht uns gar nichts an.« Der Mandel zieht seine Hand zurück. Plötzlich erlöschen die Scheinwerfer des anderen Autos. Ich sehe überhaupt nichts mehr, aber dann schält sich ein Bild aus der Schwärze hervor, als die Augen sich an die Dunkelheit gewöhnen. Das Auto gegenüber ist auch ein Ford, auch ein alter Taunus, es ist, als hätten wir vor einem Spiegel geparkt. Blasses weißes Licht strömt aus der Fahrerkabine des spiegelverkehrten Taunus. Man kann nicht genau erkennen, wer am Steuer sitzt, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass da noch ein Beifahrer ist. Ich kenne die Leute irgendwoher, kann ich nicht aufhören zu denken.
    »Fahr!«, dränge ich den Mandel, aber der sitzt nur regungslos da. Sein rechter Nasenflügel bebt nicht mehr. Irgendwo in der Nähe muss die Küste sein, denke ich noch, wahrscheinlich ein Übersprungsgedanke, weil ich so eine panische Angst vor dem anderen Taunus habe. Dann lässt der Mandel endlich den Motor an und fährt dem anderen Taunus davon, der hinter uns in der Dunkelheit zurückbleibt wie eine unangenehme
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