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Black Mandel

Black Mandel

Titel: Black Mandel
Autoren: Berni Mayer
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gewesen war. Ich kam auf zweimal.
    »Nein, nein, das hat meistens die Plattenfirma bezahlt, damit wir einen Bericht über die Bands abdrucken.«
    »Dann sollen die das doch jetzt auch bezahlen, ich könnte einen Urlaub gut gebrauchen. Bei uns ist ja eh nichts los, mal abgesehen von deinem Zonenrock.«
    »Wie stellst du dir das vor? Ich bin seit über einem Jahr kein Musikjournalist mehr. Ich glaube nicht, dass man sich da auch als Privatdetektiv akkreditieren kann«, sagte der Mandel.
    »Das weiß doch keiner, dass du Detektiv bist. Und wenn doch, könntest du nebenbei immer noch schreiben. Quasi im Erstberuf Ermittler, im Zweitberuf Musikjournalist. Ruf einfach mal bei der Plattenfirma an und schau, was du herausschinden kannst. Zwei Flüge, zwei Tickets fürs Konzert. Hotel natürlich auch.«
    »Heutzutage haben die Plattenfirmen nicht mehr die Spendierhosen an, das weißt du doch. Und am Ende werden sie ein Belegexemplar von der Geschichte wollen.«
    »Dann sag halt, du bist grade dabei, die Reportage ans Iron Fist zu verkaufen. Wenn’s am Schluss nichts wird, werden sie dich ja kaum den Flug zurückzahlen lassen. Du kannst dir maximal den Ruf in einer Branche versauen, in der du nicht mehr arbeitest. Und wenn du das nicht willst, können wir ja wirklich eine Reportage schreiben«, schlug ich vor.
    »Ich möchte aber keine Reportage schreiben.«
    »Ich kann das ja machen«, sagte ich.
    »Du?«, sagte der Mandel.
    Ich überhörte die unterschwellige Gehässigkeit, weil der Mandel mir schon damals nie zugetraut hat, ich könne auch mal was für die Druckausgabe vom Express schreiben. Für ihn war ich als Online-Redakteur immer ein Journalist zweiter Klasse gewesen. Wenn überhaupt ein Journalist. Ich stand auf und ging in die Küche, um mir auch einen Kaffee zu machen. Ich befüllte den Siebträger mit Espresso, drehte ihn fest und schaltete die Maschine ein. Ein Geräusch ertönte, als ob sich brodelnde Lava in der Maschine befände.
    »Was ist denn das für ein Krach?«, rief der Mandel vorwurfsvoll vom Schreibtisch her.
    Es fing an zu zischen. Besorgt entfernte ich den Siebträger aus seiner Halterung, und eine braune Soße schoss wie eine Naturgewalt an die Küchenwand und auf mein Hemd.
    »Ich glaub, die Kaffeemaschine ist kaputt«, schrie ich in Richtung Mandel, während ich mit der Hand die Kaffeelava auf meinem Hemd verteilte, damit sie mir wenigstens symmetrisch die Haut von den Knochen schmolz.
    »Unsinn. Mein Kaffee ist perfekt«, sagte der Mandel.
    »Ich komm übrigens nicht mit nach Stralsund«, sagte ich und hielt meine Hände unter den eiskalten Wasserstrahl der Spüle.
    Als ich abends zu Hause in meiner Wohnung saß und mich fragte, was Maria wohl mit der Waschmaschine gemacht hatte, die vorher immer tadellos funktionierte, ging mir das Black-Metal-Konzert nicht mehr aus dem Kopf. Maria war Gott sei Dank für zwei Tage zu ihrer Mutter nach Chemnitz gefahren, und so schüttete ich mir einen Ouzo mit Eiswasser in ein Glas und schaute mir im Internet diverse Videos von Dark Reich an. Da gab es vor allem die Ausschnitte aus dem Bergen-Konzert. Die aufgespießten Schafschädel sahen in dem mattroten Bühnenlicht aus wie Stofftiere, und einer umgedreht gekreuzigten Frau hingen die Brüste nach oben beziehungsweise nach unten, also in Richtung Gesicht auf jeden Fall. Dazu die überdimensionale Nietenausstattung des Sängers und die Leichenschminke – auf den ersten Blick fand ich es zum Lachen. Ich mochte so Sachen wie Slayer, Exodus und Death, aber zum Begriff Black Metal fiel mir eigentlich nur Venom ein. Und für die war der ganze Satanismus-Kram ja nur eine passable Effekthascherei gewesen, um mehr Weiber zu vögeln als die Konkurrenz. Das waren Party-Satanisten und damit dem Credo des Satanismus Tu, was du willst deutlich näher als die verkrampften Harlekins in dem Video. Aus reiner Langeweile schaute ich weiter ein Video nach dem anderen von dem Bergen-Konzert durch. Ab dem fünften Song, The Ancient Moon, fühlte ich mich unwohl. Es lag nicht an den Schafsköpfen oder den gekreuzigten Frauen, es lag tatsächlich an der Musik. Die Band raste sieben Minuten lang durch ein und dasselbe Schema, geführt von einer für die Musikrichtung ungewohnt hochtonig gespielten Gitarrenlinie, die sich andauernd wiederholte. Dazwischen schrie der Sänger in scheinbar von Raum und Zeit befreiten Intervallen etwas, das ich nicht verstand. Für meine Ohren klang es zunächst wie der nicht enden wollende Schluss eines
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