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Black Mandel

Black Mandel

Titel: Black Mandel
Autoren: Berni Mayer
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was sagt. Ich wünsche dir eine schöne Zeit, grüß mir Max ganz lieb, und vielleicht sehen wir uns mal, wenn ich in der Stadt bin. Ich vergess euch nicht!
    Alles Liebe,
    Vilde
    Ich wusste nicht, was ich mit diesem Brief anfangen sollte. Dass sie sich wieder mit Aasen traf, war fast so entsetzlich wie die Tatsache ihrer S&M-Affäre mit Håvard, aber eigentlich konnte sie einem wirklich leidtun bei dem Händchen für Männer. Den Satz mit dem anderen Mann verstand ich nicht. Noch weniger den Hinweis auf das Flunitrazdings. Ich schlug im Internet Flunitrazepam nach und stieß auf folgenden Eintrag:
    In Kombination mit Alkohol oder Opioiden kann es zu einer Amnesie (Gedächtnislücke) kommen, daher hat Flunitrazepam den Ruf einer Date-Rape-Droge: Opfer von Vergewaltigungen oder anderen Straftaten können sich oft an keine Details zum Hergang erinnern.
    »Von wem ist der Brief?«, fragte der Mandel ausgerechnet jetzt, wo ihn meine Post doch sonst nicht interessiert.
    »Von meiner Mama«, log ich, konnte aber dafür sicher sein, dass der Mandel nicht weiter nachfragte. Mir kam indessen der fürchterlichste Gedanke. Ich holte aus der untersten Schreibtischschublade Håvards Telefon heraus, das ich versehentlich mit nach Deutschland genommen, aber seit dem Notruf vom Mandel nicht mehr eingeschaltet hatte. Ich öffnete den Bereich Videos und fand zu meinem Entsetzen genau das, was ich nicht hatte finden wollen.
    Das Video fing unvermittelt an. Die Kamera filmte eine nächtliche Straße. Die Einstellung war nicht besonders scharf, aber dank der Straßenbeleuchtung konnte man erkennen, wie die Kamera des Telefons die Mariakirken hinauf, und wieder zurück auf die nasse Straße schwenkte. Die nächste Einstellung war mit Nachtsicht aufgenommen, und sie zeigte in diesem grünen, phosphorartigen Licht das Innere einer Kirche, das erkannte man auch an dem riesigen Kreuz, das an der Decke hing. Stühle standen überall herum, und einmal streifte der Blick der Kamera eine prunkvolle Kanzel, die majestätisch zwischen zwei Torbögen angebracht war. Die Kamera richtete sich auf mich in der Leichenschminke, wie ich quer über zwei Kirchenstühlen lag und mich nicht bewegte. Dann filmte Håvard sich selbst und sein geschminktes Gesicht. Er riss den Mund auf und fletschte die Zähne. Offensichtlich stellte er danach das Telefon auf einen der Stühle, damit er sich selbst dabei filmen konnte, wie er einen Haufen Gebetbücher stapelte und mit einem Feuerzeug einzelne Seiten in Brand setzte. Dann ein abrupter Schnitt, und die Kamera war wieder auf meinem Gesicht. Es sah so aus, als wäre ich eingeschlafen. Håvard schlug mir mit der flachen Hand ins Gesicht, und ich riss die Augen weit auf, was in dem grünen Licht der Nachtsicht ziemlich grotesk aussah. Dann war das Video zu Ende. Ich schaltete das Telefon aus und legte es zurück in die Schreibtischschublade. Ich schaute über den Monitor nach drüben zum Mandel, ob er etwas bemerkt hatte.
    »Was ist denn?«, fragte der Mandel.
    »Nichts«, sagte ich.
    »Warum schaust du dann so?«, fragte der Mandel und zündete sich eine blaue Gauloise an, während er die Beine auf den Doppelschreibtisch legte, sodass seine italienischen Lederstiefeletten in meine Tastatur ragten. Er klickte auf der Maus herum, bis ein Südsee-Getrommel anfing, in das ein jazziger Bläsersatz hineinpolterte.
    »Was ist denn das jetzt?«, fragte ich.
    »Attila the Hun«, sagte der Mandel, als müsste man das kennen. »Calypso.«
    »Calypso?«, fragte ich.
    »Karibische Protestmusik aus den Dreißigern«, sagte der Mandel.
    Lang ging das nicht mehr gut mit uns.
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