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Black Mandel

Black Mandel

Titel: Black Mandel
Autoren: Berni Mayer
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eintraf. Der Vertrieb hatte gemeint, die Scheiße käme erst nach Ostern, aber dann haben sie für den Merchandise-Stand beim Konzert einen Sonderkurier bestellt, der auch am Karfreitag ausgeliefert hat.«
    »Ich versteh immer noch nicht, warum«, sagte der Mandel, dabei hatte ich es doch vorher erklärt.
    »Ihr habt verdammt noch mal keine Ahnung. Cristian hatte einfach keine Lust mehr«, sagte Skull. »Er verabscheute den Svarte Sirkel und verabscheute die Bürgerlichkeit, er fand keine verdammte Mitte. Weder im scheiß Licht noch im scheiß Dunkeln hat es ihm gefallen. Er gehört nicht in diese Welt, hat er gesagt. Sein Blut verklumpt auf dieser Welt, hat er gesagt. Weil er gar nicht von hier ist. Der hatte einfach keine beschissene Lust mehr. Er ist mein verdammter Freund gewesen. Immer schon. Selbst in den letzten Jahren mit dem Zahnarzt war er immer noch mein beschissener Freund. Er hat meine Hilfe gebraucht.«
    Der Mandel saß im Dunkeln, nur der Schimmer aus dem CD -Raum legte einen milchigen Lichtfilm auf sein Gesicht. Von Skull sah man nur die Umrisse.
    »Es war alles seine Idee«, sagte er. »Er wollte auf dem Weg nach draußen noch eine junge, vielversprechende Band groß rausbringen. So wie die Wrestler das machen. In ihrem letzten Match darf ein Nachwuchswrestler sie besiegen und dadurch zum neuen Star werden.«
    »Soll das heißen, er wollte, dass ihr ihn umbringt?«, fragte ich.
    Skull legte den Kopf in den Nacken und sagte nichts.
    »Aber man hätte ihn ja nicht so brutal behandeln müssen, wenn er einfach nur sterben wollte. Kreuzigung, das ist ja Wahnsinn«, sagte ich.
    »Er hat nichts mehr gemerkt. Wir hatten Betäubungsmittel aus der Praxis. Damit haben wir ihn vorher schon … «, sagte Skull.
    »Welche Praxis?«, unterbrach ich, aber dann fiel es mir gleich selbst ein. Der Zahnarzt. Er hatte doch noch gesagt, dass etwas fehlte.
    »Das ist kompletter Irrsinn. So einen Irrsinn hab ich noch nie gehört. Wie habt ihr das übers Herz gebracht?«, fragte ich.
    Skull saß nur da in seiner Festtagshemd-Silhouette, von hinten schwach angeleuchtet von dem Türspalt, und rieb sich die Augen, als wäre er müde.
    »Komm, lass uns gehen«, sagte der Mandel.
    »Jetzt will ich es aber doch wissen!«, schrie ich, und ich weiß auch nicht, warum ich plötzlich schrie.
    Skull würde nichts mehr sagen. Warum sollte er sich noch mehr belasten? Und außerdem waren wir nicht die Polizei und noch viel weniger die Mordkommission. Trotzdem konnten wir doch nicht einfach so weggehen und das ganze Grauen auf sich beruhen lassen, oder?
    »Jetzt komm, Sigi«, sagte der Mandel und legte seine Hand sanft auf meine Schulter.
    »Das kann doch alles nicht so stehen bleiben. Du hast doch damit angefangen«, sagte ich.
    »Ich wollte nur wissen, ob ich recht habe. Wir können nichts tun«, sagte der Mandel.
    Ich schlug seine Hand von meiner Schulter, und ich weiß nicht, wieso, aber ich hätte beinahe geweint.
    »Komm, los jetzt, Sigi«, sagte der Mandel. »Fahren wir heim.«
    Wir standen auf und ließen Skull sitzen, den Kopf im Nacken, an die Decke starrend. In seinem festlichen weißen Hemd. In der halben Dunkelheit des Pentagramm-Zimmers.
    Draußen, hinter dem Scheibenwischer vom Ford Focus, den Myklebust auf der anderen Straßenseite im absoluten Halteverbot geparkt hatte, klemmte ein Strafzettel über 700 Kronen.
    »Wie viel ist das in Euro?«, fragte ich.
    »Ungefähr neunzig«, sagte der Mandel.
    »Die haben doch den Arsch offen«, sagte ich und war jetzt doch froh, dass wir fuhren.

28: CALYPSO
    Wir sind anders heimgefahren, als wir gekommen sind. Nämlich über Schweden. Die üblichen Streitereien wegen der Musik, an welchem Rastplatz wir halten sollen, wie weit hinterm Nullpunkt der Tanknadel wir tanken, ob der Mandel sich in letzter Zeit nur noch von Schokoriegeln ernährt und warum das Navigationsgerät nicht die neueste Version der Schwedenkarte hat – all das ersparten wir uns und fuhren einfach nur nach Hause. Der Ford Focus verbrannte Kilometer um Kilometer, so viele Kilometer lagen zwischen Bergen und unserer Stadt, dass ich mich anfangs nicht getraut habe, auf das Navigationsgerät zu schauen, wo rechts unten die verbleibenden Kilometer angezeigt werden. Der Mandel ist die meiste Zeit gefahren, aber das war gut für uns beide. Er hat intensiv auf die Straßen gestarrt, als würde es nichts anderes auf der Welt geben als die Straßen. Nur ihn, das Auto und die Straßen. Und ich habe geschlafen, die halbe Fahrt.
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