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Black Mandel

Black Mandel

Titel: Black Mandel
Autoren: Berni Mayer
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spinnen doch. Seit anderthalb Jahren hab ich keinen Satz mehr über Musik geschrieben, und die laden mich immer noch zu ihren Konzerten ein«, sagte er.
    »Promoverteiler bestehen für die Ewigkeit. Hat man sich einmal eingetragen, ist das wie eine Verbeamtung. Kommt man zu Lebzeiten nicht mehr heraus«, sagte ich und gab das Maria-Thema wieder auf, denn der Mandel fand immer eine andere Ausrede, um sich aus der Sache herauszuhalten.
    Er klickte mit einer genussvollen Ausholbewegung auf seine Maus, weil er das immer machte, wenn er Mails löschte, die er für besonders überflüssig hielt.
    »Um welches Konzert geht es denn?«, fragte ich.
    »Dark Reich gibt’s wieder.«
    »Dark Reich? Echt?«, sagte ich, während ich überlegte, wer Dark Reich waren.
    »Die mit den Schafsköpfen und den Gekreuzigten. Norwegischer Black Metal halt«, sagte der Mandel.
    »Weiß ich doch. Ich leb doch nicht hinterm Mond. Da würde ich übrigens deutlich lieber mit dir hinfahren als zu Monokel nach Stralsund.«
    »Das ist aber noch weiter als Stralsund. Dark Reich spielen übernächstes Wochenende in Bergen. Bergen in Norwegen. Großes Revival-Konzert, bei dem sie angeblich ihre legendäre Show von damals noch übertreffen wollen.«
    »Cool«, sagte ich.
    »Überhaupt nicht. Das ist doch jetzt gerade ein Trend. Liest du keine Zeitung?«
    »Doch«, sagte ich und hatte in keiner Zeitung etwas von einem Black-Metal-Trend gelesen. »Jetzt lies trotzdem vor.«
    Der Mandel holte missmutig die Mail aus dem elektrischen Papierkorb und las laut:
    Die Pforten der Hölle stehen wieder offen
    Dark Reich sind zurück
    Als Dark Reich 1995 ihr legendäres Konzert Last Black Mass in Bergen gaben, stockte der Welt der Atem. Es war tatsächlich eine schwarze Messe in Konzertform. Verkehrt herum gekreuzigte, splitternackte, blutbesudelte Frauen und aufgespießte Ziegenköpfe waren das Bühnenbild für vier wie Leichen geschminkte Musiker, deren Musik sich jeder Konvention entzog und die mit ihrem infernalischen Lärm wie ein tödlicher Eisregen auf ihr Publikum hinabfuhren. Dark Reich hatten sich Anfang der Neunziger durch ihre brutalen Bühnenshows an der Spitze der skandinavischen Metal-Bewegung positioniert, zu einer Zeit, als in Norwegen die Kirchen brannten und der Staat in Black Metal und dem sogenannten satanischen Terrorismus einen neuen Erzfeind ausgemacht hatte. Black Metal war damit aus seiner finsteren regionalen Nische heraus ins grelle Licht der Weltöffentlichkeit getreten: Baalberith, Balrog, Abbadon und Hellzombie waren für ein paar Wochen so bekannt wie U2. 1995 waren sie mit der Bergener schwarzen Messe auf dem Zenit ihrer zweifelhaften Berühmtheit angekommen, doch die geplante DVD wurde aufgrund einer Klage wegen Gewaltverherrlichung vom Markt genommen. Diverse Tonträger der Band wurden in ihrer Heimat Norwegen, in Deutschland und in anderen Ländern auf den Index gesetzt. Die Ablehnung der Zensurgremien wurde der Band zum Verhängnis. Zu zermürbend waren die Versuche, sich gerichtlich gegen den Medienboykott aufzulehnen. Sänger Baalberith verschwand spurlos von der Bildfläche, kurz darauf löste sich auch der Rest der Band auf. Niemand in ihrer Heimatstadt Bergen konnte oder wollte sagen, was aus den legendären Dark Reich geworden war.
    »Was für ein Schwachsinn. 1995 war die Bewegung schon längst wieder vorbei. Die Last Black Mass war doch nur noch ein letztes Aufbäumen, bevor der Laden endgültig dichtgemacht hat«, sagte der Mandel, und ich hatte keine Ahnung, wovon er redete.
    »Jetzt lies weiter«, sagte ich.
    Doch ohne eine Vorwarnung oder ein Raunen aus dem Untergrund tauchte plötzlich ein neuer Eintrag auf der stillgelegten Website der Band auf: » Dark Reich will perform live in their home town of Bergen, Norway, this Easter Sunday celebrating the 20 th anniversary of their first album Ave Versus Christus.«
    »Stopp, das reicht«, sagte ich. »Wie lange fährt man nach Bergen?«
    »Einen ganzen Tag. Du musst ja durch Schweden oder durch Dänemark und dann noch die Fähre und dann noch durchs halbe Norwegen.«
    »Warst du schon mal in Norwegen?«, fragte ich.
    »Natürlich«, sagte der Mandel, als wäre jeder Depp schon einmal in Norwegen gewesen.
    »Was hast du da gemacht?«, fragte ich, aber ich hätte mir die Antwort auch selbst geben können.
    »Leute interviewt. Auf Festivals.«
    »Und das hat damals der Express bezahlt, oder was?«, fragte ich und dachte darüber nach, wie oft ich für den Express auf Reisen
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