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Black Jail

Black Jail

Titel: Black Jail
Autoren: Allan Guthrie
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erhebt.
    Als er diesmal den Schuss hört, ist er auf Dunkelheit gefasst.
    Aber nichts ändert sich. Er steht mit geschlossenen Augen da und wartet.
    Als er die Augen endlich öffnet, sieht er Lorna am Boden, ein saubereres rotes Loch in der Stirn.
    »Sie hat dich so gehasst, dass sie sich selber erschossen hat«, sagte Annie.
    Mit geschlossenem Mund flüstert ihm Lorna ins Ohr, sagt ihm, was er tun soll, gibt allem einen Sinn, erlaubt Glass, weiterzuleben. »Erinnern ist zu schmerzhaft«, sagt sie. »Aber du brauchst den Schmerz, um zu vergessen.«
    »Genau so ist es passiert«, sagte Annie.
    Glass packte Annies Hand, versuchte, ihr den Finger abzubeißen. Presste die Kiefer so fest gegeneinander, dass ihm die Zähne wehtaten. Aber er kam nicht durch den Knochen.
    Nachdem Glass wieder seine Medikamente bekam, erinnerte er sich lange an gar nichts mehr.

DONNERSTAG, 19. FEBRUAR 2009
    Alle zwei Wochen bekam Nick Glass eine Spritze, die ihn zwei Tage lang außer Gefecht setzte, und am dritten Tag fing er an, sich wieder normal zu fühlen. Heute war der dritte Tag. Sonnenstrahlen schienen in sein Zimmer und in Streifen über sein Bett. Er schlief gern mit offenen Vorhängen. Wenn nicht, juckten seine Narben.
    Er schaute auf seine Uhr: 8.20 Uhr. In letzter Zeit ließen sie ihn schlafen. Sinnlos, ihn aufzuwecken, wenn er aus dem Loch kam. Er hoffte, sie hatten nicht vergessen, dass es heute etwas anderes war.
    Er schlug die Decke zurück, ließ den Arm kreisen, um die Steifheit aus seiner Schulter zu rollen. Schwang die Beine aus dem Bett, grub die Zehen in den Teppich. Er war kürzlich an einen viel hübscheren Ort verlegt worden. Er hatte sich gut benommen in den letzten fünf Jahren. Seine Vorrechte waren ihm während dieser Zeit nur einmal entzogen worden. Weil er einen Spiegel zerbrochen hatte. Er hasste diese Scheißspiegel. Die meiste Zeit gelang es ihm zu vermeiden, sich anzuschauen, aber dieses eine Mal hatte er das eigene Grinsen erblickt und die Faust ins Glas geschmettert.
    Jetzt hatte er keinen Spiegel mehr. So war es ihm recht. Beste Lösung für alle Beteiligten.
    Er griff nach Riddells Fotorahmen auf der Kommode. Okay, es hatte sich herausgestellt, dass er gar nicht Riddell gehörte, es war nur ein alter Rahmen aus Zinn, der seit unvordenklichen Zeiten auf dem Schreibtisch im Büro im Hilton stand. Aber als Glass Riddell fragte, was er damit tun würde, nachdem er gegangen war, hatte Riddell gesagt, er wolle sehen, was sich machen ließe. Ein paar Tage danach hatte er ihn Glass zum Geschenk gemacht. Glass hatte den alten Scheißkerl lange nicht gesehen. Erbehandelte jetzt draußen allgemein. Hatte den Job aufgegeben, als er zu dem Schluss gekommen war, er habe es satt, von den Häftlingen verklagt zu werden. Die hatten alle Zeit der Welt und Anwälte auf Abruf und nichts Besseres zu tun. Sie gewannen nie – jedenfalls nicht gegen Riddell –, aber das Ganze war aufreibend, und irgendwann konnte Riddell es nicht mehr aushalten.
    Glass tat es leid, dass er ging. Riddell hatte ihn mit der Zeit besser kennengelernt als irgendjemand sonst.
    Riddells Fotorahmen – er betrachtete ihn weiterhin als den von Riddell – beherbergte nun eine Aufnahme von Lorna und Caitlin. Sie hatten Glass’ kleinem Baby gerade ein neues Kleidchen gekauft, Blumenmuster, gelb und rot, und glänzende schwarze Schuhe mit Schnallen. Für ihren vierten Geburtstag am nächsten Wochenende. Sie hatte darauf bestanden, ihre neuen Sachen gleich anzubehalten. Sie präsentierte sie der Kamera, mit gekreuzten Füßen, schüchtern aber glücklich, und hielt fest die Hand ihrer Mutter umklammert.
    Er musste wieder weinen. Er weinte eine Menge. Er hatte sich in Lornas Alten verwandelt und flennte bei den bescheuertsten Gelegenheiten. Manchmal wusste Glass nicht genau, warum er weinte, empfand nicht mal Traurigkeit, aber heute Morgen war es anders. Er wusste genau, warum er weinte.
    Er stellte das Foto zurück, dann zog er die Kleider aus und kletterte auf die Fensterbank. Schloss die Augen. Stellte sich vor, er könne den Geruch von warmem Brot riechen, der von unten aus der Bäckerei heraufstieg. Stellte sich vor, Lorna stünde neben ihm. Fünf Minuten lang stand er mit ihr da, dann machte er die Augen auf und blickte zu dem hohen Holzzaun in sechs Metern Entfernung.
    Er sprang runter, ging in das angeschlossene Bad, wo er sich das Gesicht wusch und die Zähne putzte. Dann zog er seine schicken schwarzen Klamotten an, die er am Abendzuvor
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