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Bisswunden

Bisswunden

Titel: Bisswunden
Autoren: Greg Iles
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der beiden kleinen Gemeinden am Mississippi, die mehr als zwanzig Meilen auseinander liegen. Er schiebt mich langsam, aber stetig den Hügel hinauf. Es dauert nicht lange, und wir starren über den kilometerbreiten Fluss hinaus auf die Ebenen des Louisiana-Deltas.
    »Das ist zu groß, um es zu begreifen«, sagt Pearlie.
    »Ich liebe diesen Anblick«, sage ich leise. »Früher bin ichimmer hierher gekommen, wenn ich mich in dieser Stadt gefangen gefühlt habe.«
    »Ich dachte, du wärst immer hier gefangen gewesen, bis dein Großvater starb.«
    »Er hat sich selbst das Leben genommen, weißt du?«, sage ich leise.
    Lange Zeit sagt Pearlie nichts. »Davon weiß ich nichts«, murmelt sie schließlich.
    Ich blicke zu ihr auf. »Komm schon, Pearlie. Glaubst du wirklich, dass es ein Unfall war, als er vom Damm abgekommen ist?«
    Sie sieht Michael an, dann wieder mich. »Nein. Es war kein Unfall.«
    In meinem Kopf setzt ein dumpfes Summen ein. »Was soll das heißen, Pearlie? Was weißt du darüber?«
    Sie ist so ernst, wie ich sie kaum je gesehen habe. »Ich weiß alles«, sagt sie. »Was möchtest du wissen?«
    »Das Gleiche wie du.«
    Sie sieht Michael zweifelnd an. »Einige Dinge sollte man lieber nicht hören, Doktor«, sagt sie. »Warum gehen Sie nicht zum Wagen zurück?«
    Michael sieht mich fragend an, und ich nicke.
    Als er davongeht, tritt Pearlie vor den Rollstuhl und fixiert mich mit dem ganzen Ernst einer alten, weisen Frau. »Nachdem du mich auf der Insel zurückgelassen hast, Baby, blieb ich eine Weile bei Louise Butler. Doch ich war unglaublich nervös. Ich konnte nicht ausruhen. Also hab ich einen Spaziergang gemacht. Und landete auf der anderen Seite des Sees. Bei dem großen Haus.«
    Sie meint die Lodge meines Großvaters, das Aushängeschild, das der Stararchitekt A. Hays Town für ihn entworfen hat.
    »Bevor ich wusste, was ich tat, fing ich an, das ganze Haus auseinander zu nehmen. Ich war immer noch auf der Suche nach diesen Bildern, verstehst du? Ich wusste, dass sieirgendwo sein mussten.« Sie seufzt und senkt den Blick zu Boden. »Nun, ich fand sie. Sie waren in einem hohlen Buch versteckt, einem von hunderten Büchern in seiner Bibliothek dort unten. Und sie waren schlimm, Baby. Viel schlimmer als die Bilder von dir und deiner Tante Ann im Swimmingpool.«
    »Was war auf ihnen zu sehen?«
    Pearlie rümpft die Nase, als würde sie faulendes Fleisch riechen. »Alles. Mir wurde bei ihrem Anblick ganz schlecht. Ich ging ins Badezimmer, und ich konnte nicht mehr aufhören zu weinen. Und dann hab ich was gehört.«
    »Großvater?«
    »Nein. Jesse.«
    »Jesse Billups? Er hat die Bilder gesehen?«
    Pearlie nickt, und ihr Gesicht ist plötzlich voller Besorgnis. »Und es waren nicht nur Bilder von irgendwelchen Kindern. Einige der Kinder waren von der Insel. Jesse erkannte sie wieder. Einige gehörten Leuten, die noch immer auf der Insel leben.«
    »Mein Gott! Was hat er gesagt?«
    »Er hat mich verflucht. Dann nahm er die Bilder und ist damit weggerannt.«
    »Was ist dann passiert, Pearlie? Was hat Jesse mit den Bildern gemacht?«
    »Er hat sie einigen anderen Männern auf der Insel gezeigt. Einigen der Väter dieser Kinder. Verstehst du, die Frauen haben gewusst, was Dr. Kirkland mit den Kindern gemacht hat, genau wie ich es mir dachte. Einige von ihnen jedenfalls. Aber sie haben es ihren Männern nie gesagt. Doch jetzt wussten es die Männer, und sie waren verrückt vor Wut. Jesse rief Dr. Kirkland an und erzählte ihm, dass jemand in das große Haus eingebrochen wäre und alles verwüstet hätte. Und dass Dr. Kirkland sofort zur Insel kommen sollte.«
    Ich schließe die Augen, und in mir regt sich Angst vor dem Ende der Geschichte.
    »Bist du sicher, dass du es hören willst, Baby?«
    »Ja.«
    »Als Dr. Kirkland auf der Insel ankam, haben Jesse und die anderen Männer ihn in einen Truck gesetzt und sind mit ihm zu Big Leons Haus gefahren.«
    »Wer ist Big Leon?«
    »Einer von den Männern auf der Insel. Er hat zwanzig Jahre in Angola gesessen. Jesse hat Leon die Bilder gezeigt und ihm erzählt, was Dr. Kirkland getan hatte. Und dann hat er zu Leon gesagt: ›Du kannst ihn für zwei Stunden haben. Pass nur auf, dass du keine Spuren hinterlässt.‹«
    »O Gott.«
    Als Pearlie nickt, leuchten ihre Augen. »Zwei Stunden später sind die Männer zurück zu Big Leon und haben Dr. Kirkland geholt. Und dann haben sie das gemacht, was Billy Neal mit dir und mir vorhatte.«
    »Was?«
    »Sie haben ihn ans Lenkrad
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