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Bis zum letzten Atemzug

Bis zum letzten Atemzug

Titel: Bis zum letzten Atemzug
Autoren: Gudenkauf
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wirklich nicht leicht. Wenn sie ihn anschaute, funkelte in ihrem Blick immer noch Verachtung, und sie nahm jede Gelegenheit wahr, mit ihm zu streiten und ihm zu widersprechen. Es war, als würde er Holly noch einmal aufwachsen sehen. Aber die Sache war die: Über die Jahre, nachdem die Beziehung zu seiner Tochter sich in weit entfernte Erinnerungen aufgelöst hatte, die aus der Zeit stammten, als sie noch klein gewesen war und dachte, ihr Dad wäre der tollste Mann auf Erden, hatte er geschworen, wenn er noch einmal die Chance bekäme, würde er es anders machen. Jetzt war die Gelegenheit in Form von Augie gekommen, ein Klon seiner Tochter, und er sollte verdammt sein, wenn er es wieder nicht richtig machen sollte.

HOLLY
    Wieder einmal erwache ich an einem neuen Tag im Krankenhaus. Langsam fange ich an zu glauben, dass ich diesen Ort niemals verlassen werde. Ich will mir den Tropf vom Arm reißen und schreiend weglaufen. Mein ganzes Leben lang habe ich versucht, mich zu befreien. Erst von meiner Familie und Broken Branch mit seiner kleinstädtischen Verlogenheit. Dann von meiner Ehe mit David und dem einengenden Gefühl, an einen Menschen, vielleicht auch speziell David, gebunden zu sein. Also habe ich zuerst alle meine Bindungen zu meiner Familie in Iowa gekappt, ließ sie ohne eine Umarmung oder einen Kuss zurück, nur ein »Ich muss hier raus, sonst sterbe ich«, und ich habe es seitdem nicht ein einziges Mal bereut. Ich bin nach Colorado durchgebrannt, mit einem Jungen, mit dem ich zusammen aufgewachsen bin. Nach nur einem Jahr hatten wir die Schnauze voneinander voll, also zog ich weiter nach Arizona, wo ich schließlich die Kosmetikschule besuchte. Da habe ich David kennengelernt; wir heirateten und bekamen Augie. Das Fiasko dauerte sieben ganze Jahre. Er hat versucht, mich zum Bleiben zu überreden, hat gesagt, er will ein weiteres Baby, will mit mir zusammen alt werden. Ich sagte ihm, dass ich so nicht mehr leben könnte, dass ich sterben würde, wenn ich noch einen einzigen weiteren Morgen aufwachen und die gleiche gottverdammte Tapete sehen oder noch ein einziges Mal unsere Nachbarn darüber klagen höre, dass unser Viertel den Bach runtergeht.
    »Dann nehmen wir die Tapete ab«, hatte David gesagt. »Wir können auch umziehen«, versprach er. Also nahmen wir die Tapete runter, und ich wurde schwanger. Aber er wusste es. Er verstand, dass es nicht an der Tapete oder den Nachbarn lag. Es lag an uns. Besser gesagt, an mir, die es nicht ertrug, dort zu sein, verheiratet zu sein, in den Vororten gefangen zu sein, die sich nicht groß von den Kleinstädten in Iowa unterscheiden. David sah so verletzt aus, so leidend, wenn er P. J. betrachtete. Menschen neigten dazu, mich auf diese Weise zu betrachten, wenn sie etwas länger Zeit mit mir verbracht hatten. Zuerst meine Mutter und mein Vater. Vor allem mein Vater. Wie sehr es mich innerlich gefreut hat, seinen Gesichtsausdruck zu sehen, als ich ihm sagte, dass das Leben auf einer Farm für mich die Hölle auf Erden war, dass jede Minute länger, die ich in Broken Branch verbrachte, eine vergeudete Minute wäre, weggeworfen und nie wieder zurückzuholen. Meine älteren Brüder beschimpften mich als egoistisch und undankbar. Meine Mutter weinte. Ich fühlte mich deswegen schlecht, aber es reichte nicht, um mich davon zu überzeugen, zu bleiben. Mein Vater half mir sogar, meinen Koffer zu dem alten Plymouth Arrow zu tragen, für den ich mir das Geld seit meinem dreizehnten Lebensjahr durch das Putzen von Mais zusammengespart hatte.
    »Du bist siebzehn Jahre alt, Holly«, hatte mein Vater gesagt. »Und ich weiß, du glaubst, alle Antworten zu kennen. Aber was du deiner Mutter antust, ist nicht zu entschuldigen.«
    »Ich halte es nicht einen einzigen weiteren Tag hier aus.« Ich hatte es nicht über mich gebracht, ihm in die Augen zu schauen, und stattdessen über seine Schulter hinweg auf die unendlichen Felder mit den knöchelhoch stehenden Maissetzlingen gestarrt. »Ich kann es nicht erklären.«
    Mein Vater schwieg einen Moment. Sein grünes John-Deere-Cap hatte er so tief in die Stirn gezogen, dass seine Augen im Schatten lagen. Aber ich wusste auch so, dass er mich missbilligend ansah. Er lehnte sich gegen die Heckklappe des Plymouths, die von der Sonne gebräunten Arme vor der Brust verschränkt. »Du schämst dich, die Tochter eines Farmers zu sein? Du glaubst, zu gut für dieses Leben zu sein? Ist es das?«
    Beschämt schüttelte ich den Kopf. »Nein! Das ist
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